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Breitbart-Werber ziehen sich zurück

Von Alexander Dworzak

Politik
© wz/mozie

Hiesige Werbe-Großkunden wie Rewe, Lutz und Hofer schalten keine Anzeigen mehr auf dem US-Rechtsaußen-Portal.


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Wien. Donald Trump ist nicht nur im Epizentrum der Macht angekommen, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Genau dorthin will auch einer der wichtigsten Wahlkampfhelfer des neuen US-Präsidenten, das Webportal Breitbart. Und die Betreiber der Seite sind auf gutem Wege: Von zwölf Millionen monatlichen Seitenaufrufen im Gründungsjahr 2012 steigerte sich das Portal eigenen Angabe zufolge auf insgesamt zwei Milliarden im vergangenen Wahljahr. Konservative Konkurrenzmedien wie Fox News verbuchten geringere Zugriffszahlen, auch die Seite der renommierten "Washington Post" ließ Breitbart hinter sich.

Stephen Bannon war der Kopf hinter dem Aufstieg Breitbarts - mittlerweile ist er Chefstratege des neuen Präsidenten. Wie Trump setzt Breitbart auf permanente Provokation und Grenzüberschreitung. Zwei von vielen möglichen Beispielen: Die Pille mache aus Frauen "Schlampen", hieß es in einem Artikel. Und die frühere Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords, die angeschossen und dabei fast getötet wurde, diene Waffengegnern als "menschlicher Schutzschild".

"Rechtsradikale" Attacken

"Breitbart vereint inhaltliche Widersprüche", sagt der Politologe und USA-Experte David M. Wineroither zur "Wiener Zeitung". "Einerseits sind die Autoren gegen staatliche Eingriffe in den USA, erst recht gegen Umverteilung via Steuern und sozialstaatlichen Programmen. Gegenüber anderen Staaten ist Protektionsmus sehr wohl willkommen, etwa in Form aggressiver Handels- und Zollpolitik. Insofern ähnelt Breitbart bestimmten rechtspopulistischen Parteien in Europa. In ihren Attacken auf politisch Andersdenkende ist Breitbart rechtsradikal, weil verleumderisch, verächtlich und mit einer Tendenz zur Tolerierung von Gewalt gegenüber Einzelnen wie Gruppen", schlussfolgert Wineroither, derzeit Gastprofessor an der Universität Alberta. Beispielsweise bezeichnete Breitbart den konservativen Publizisten Bill Kristol als "abtrünnigen Juden", weil er sich weigerte, Trump im Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützen.

Prominente Konzerne wollen in diesem Umfeld nicht (mehr) werben. Der Nahrungsmittelhersteller Kellogg’s sah seine "Werte nicht in einer Linie" mit Breitbart. Das Portal kontert seit Ende November mit der Kampagne "Dump Kellogg’s" ("Wirf Kellog’s weg") und ortet eine "Eskalation des Krieges linkslastiger Firmen gegen konservative Kunden". Breitbarts Boykottaufrufen zum Trotz schwappte die Kontroverse nach Europa über und auch hier begannen Unternehmen, ihre Werbepolitik zu hinterfragen. So stellten etwa die deutschen Großkonzerne BMW, Telekom und Lebensmittelhändler Rewe sicher, dass ihre Online-Werbung nicht auf Breitbart erscheint.

Auch mindestens drei der zehn größten österreichischen Werbekunden waren auf Breitbart vertreten, wie Screenings der "Wiener Zeitung" im Dezember und Jänner ergaben. Darunter ist die Nummer eins, Rewe, für den "Media Focus Research" von Jänner bis November 2016 (die Dezember-Daten sind noch nicht verfügbar) 114,4 Millionen Euro Bruttowerbewert errechnete; von Zeitungsanzeigen über TV- und Radio-Spots, Plakatwerbung bis hin zum Online-Banner. Auf Breitbart erschienen Bannerwerbungen der Rewe-Handelsfirmen Billa und Merkur. Ebenfalls auf Breitbart zu sehen war eine Anzeige des drittgrößten Werbers, Möbelhändler Lutz, für seine Diskontschiene Mömax. Mit Hofer tauchte ein weiterer Lebensmittelhändler, Nummer neun im Ranking der Top-Werber, auf Breitbart auf.

"Wir haben die Anzeige auf breitbart.com geprüft und festgestellt, dass es sich dabei um keine gezielt geschaltete Werbung handelt, sondern die Ausspielung über Google Advertising stattfindet", erklärt Hofers PR-Agentur in einer Stellungnahme an die "Wiener Zeitung". Die Lutz-Gruppe richtet aus: "Wir prüfen gerade, über welchen Drittanbieter dort Anzeigen auftauchen könnten. Es ist auf alle Fälle nicht in unserem Sinne." Und auch der Rewe-Sprecher weiß nichts von einer bewussten Schaltung auf Breitbart: "Alle unsere Schaltungen laufen über unsere Mediaagentur. Wir distanzieren uns klar von jeglichen Webseiten mit rechten, pornografischen und ethisch nicht korrekten Inhalten."

Tücken der Online-Werbung

Online-Werbung funktioniert nach ganz anderen Prinzipien als bei Zeitungen oder dem Fernsehen. Die Werbekunden buchen in der Regel nicht einzelne Werbeplätze auf bestimmen Webseiten, sondern Zielgruppen, die sie im Netz erreichen wollen. "Der Kunde kann dabei beispielsweise nach Geschlecht oder Alter segmentieren. Dazu kommen von Datenlieferanten weitere Details, die vom Haushaltseinkommen bis zur Lieblings-Automarke reichen können, die an die Werbetreibenden verkauft werden", erklärt Thomas Wusatiuk, Leiter der Salzburger Agentur "get on top", die auf Online- und Performance Marketing spezialisiert ist.

Es geht also meist darum, die Zielgruppe mit der Werbung einzufangen, unabhängig davon, ob sich diese gerade auf einem Online-Forum oder einer Nachrichtenseite befindet. "Eine mittelgroße Online-Werbekampagne wird so in der Regel auf mehr als 10.000 unterschiedlichen Webseiten ausgespielt", sagt Marketing-Fachmann Wusatiuk der "Wiener Zeitung". Welche Seiten darunter im Detail sind, weiß der Werbetreibende selbst nur in den seltensten Fällen.

Will ein Auftraggeber, dass seine Werbung nicht auf bestimmten Seiten erscheint, ist er jedoch nicht machtlos. Er kann nämlich sogenannte Blacklists definieren, entsprechende Portale werden dann für Werbung gesperrt. Sowohl Rewe als auch Lutz-Gruppe und Hofer haben Breibart mittlerweile auf die Blacklist gesetzt.

Die "Wiener Zeitung" stieß im Zuge ihrer Recherchen auf weitere prominente Werber. Fast alle gingen auf Distanz zu Breitbart: Die Kapitalanlagegesellschaft Pioneer Investments, eine Tochter der UniCredit, zu der wiederum die Bank Austria gehört, hat Breitbart von der aktuellen Kampagne "wie auch von möglichen zukünftigen Kampagnen ausgeschlossen. Dies entspricht unserem Zugang, darauf zu achten, dass die Platzierungen unserer Online-Werbungen mit unseren Werten übereinstimmen."

"Wir haben selbstverständlich die Kampagne gestoppt und möchten zum Ausdruck bringen, dass Metro sich selbstverständlich davon mit Nachdruck distanziert", lässt die Österreich-Tochter der Großmärkte wissen. Auch die Österreich-Tochter des Versicherungskonzerns Allianz will nichts mehr mit Breitbart zu tun haben: "Wir haben sofort reagiert, um die Schaltung stillzulegen. Die Website wurde auf die Blacklist gesetzt. Wir distanzieren uns von der Haltung und den Werten, die über diese Website vermittelt werden." Auf Werbung für seine Kameras auf Breitbart verzichtet künftig auch Nikon Österreich, "da Nikon in keinster Hinsicht politisch motivierte Werbung schaltet". Die Österreich-Tochter von Pharmariese Merck hat seine "Media Agentur gebeten, die Werbung dort einzustellen. Die Internetseite entspricht nicht dem Umfeld, in dem wir uns mit unserer Werbung bewegen möchten". "Bei Dassault Systèmes (DS) und unserer Marketing-Agentur steht dieses Portal seit längerem auf der Blacklist", sagt die Sprecherin des Software-Entwicklungsunternehmens, das zum gleichnamigen französischen Mischkonzern gehört. "Allerdings nutzt unsere Agentur ein Werbesystem eines Anbieters, das auf dieses Portal leitet. Im Hintergrund arbeitet dieser Anbieter bereits an einem Algorithmus, der dies künftig verhindern soll", so DS. Die Sprecherin der renommierten Hochschule Collège d’Europe, die auf Europathemen spezialisiert ist, gibt sich zerknirscht. Breitbart sei eine "rassistische" Webseite. Die Anzeige werde durch die Werbefirma entfernt, so etwas "sollte in Zukunft nicht mehr passieren".

Weiters landete Breitbart auf der Blacklist des Lebensmitteldiscounters Lidl Österreich, der Österreich-Tochter der Deutschen Telekom - die Sperrung gilt für T-Mobile als auch tele.ring -, der Luxemburger Direktbank Advanzia sowie bei Nissan Österreich.

Schweigsame Porsche Holding

Da die Online-Werbung zielgruppenspezifisch erscheint, ist ein kompletter Überblick über heimische Werber beziehungsweise österreichische Tochterunternehmen auf Breitbart nicht möglich. Die "Wiener Zeitung" fragte daher die sieben weiteren größten Werber des gesamten Marktes - von Print- und TV- bis zur Plakatwerbung - nach deren Position zu Breitbart. Die Top Ten vereinigten von 3,47 Milliarden Euro Bruttowerbewert 620 Millionen Euro (18 Prozent) auf sich. Die Telekom Austria, Nummer acht, und mit den Marken A1, Bob und Yess vertreten, hat "nie bewusst elektronische Werbemittel auf breitbart.com geschalten. Wir können leider nicht ausschließen, dass einzelne Kampagnen via Vermarkternetzwerke auch dort zu sehen waren." Dafür hat die Telekom früher als andere Konzerne reagiert und laut eigener Darstellung Breitbart bereits am 14. Dezember vergangenen Jahres auf die Blacklist gesetzt. Zudem habe Telekom Austria die Buchung von breitbart.com via Vermarktungsnetzwerken auch für sämtliche Tochterunternehmen in Zentral- und Osteuropa gestoppt. "Wir führen keine Blacklists", schreibt der Marketing-Chef der Raiffeisen Bank International, "weil wir nur in Medien werben, die von Relevanz für unser Zielpublikum sind und mit unserem Code of Conduct vereinbar sind." Der gesamte Raiffeisenverband, Geld und Finanzdienstleistungen, Ware und Milch eingeschlossen, ist der fünftgrößte Werber des Landes. Spar, Nummer zwei, hat Breitbart "aktuell in unserem Netzwerk auf die Blacklist setzen lassen". Die Werbepartner des siebentgrößten Werbers Kika/Leiner hätten "das Portal bereits seit langem auf ihrer Blacklist".

Keine Stellungnahme gaben Konsumgüterhersteller Procter & Gamble (Ariel, Gillette, Pampers etc.), Süßwarenhersteller Ferrero, (unter anderem Kinder-Schokolade, Rocher, Tic Tac) sowie die Österreichischen Lotterien ab. Sie kamen zusammen auf 158,5 Millionen Euro-Bruttowerbewert.

Zu den zehn größten Online-Werbern, die nicht in der Statistik der Top-Ten-Werber für den gesamten Werbemarkt vertreten sind, zählen noch drei Autofirmen. Keine Antwort gibt die Porsche Holding, größtes Autohandelsunternehmen Europas. "Breitbart.com ist auf der Blacklist, sowie viele politisch einschlägige Seiten auch", schreibt hingegen Renault. Bei Ford stehe Breitbart auf der Blacklist. Der US-Konzern setzte diesen Schritt auch, da "durch steigende Bekanntheit des Portals die Zugriffe von österreichischen Usern künftig wachsen könnten".

Schönborn falsch zitiert

Wachsen könnte Breitbart in Österreich auch infolge der angekündigten Expansion im Zuge der Wahlen in Frankreich und Deutschland. Bereits jetzt ist Österreich kein blinder Fleck auf Breibarts Landkarte. So wurde ein "Krone"-Interview mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn rezitiert. Wie unseriös Breitbart berichtet, zeigt der Titel des Artikels: ",Nächster Papst‘ sagt, Trump könnte wie ,bester Präsident‘ Reagan sein." Tatsächlich bemerkt Schönborn bloß, Reagan sei einer der besten US-Präsidenten gewesen. Und für die These des "nächsten Papstes" verweist Breitbart auf einen "Kurier"-Artikel - der kurz vor der Wahl Franziskus’ 2013 erschien.