"Quick Freeze" als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung wieder im Gespräch.
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Wien. Erst war sie da, die Vorratsdatenspeicherung, dann kippte sie der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter Applaus von Datenschützern. Dann kam der Terror, und nun ist zumindest die Debatte um eine Nachfolgeregelung wieder voll entbrannt. Hauptgrund ist Deutschland. Dort haben sich SPD und CDU/CSU auf eine Nachfolgeregelung geeinigt. Diese besagt, dass kürzer als früher, nämlich zehn Wochen, Daten gespeichert werden dürfen.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will im deutschen Windschatten surfen und ihrem Polizeiapparat auch in Österreich wieder die Möglichkeit geben, auf gespeicherte Daten zurückzugreifen. Ihr Koalitionspartner SPÖ ist aber dagegen. "Es gibt hier ein klares Urteil des Verfassungsgerichtshofs", hieß es am Donnerstag aus dem Büro von Infrastrukturminister Alois Stöger, der keinen Bedarf an einer Wiedereinführung sieht.
Die frühere Regelung zur Vorratsdatenspeicherung hat der Verfassungsgerichtshof (nach der Aufhebung der EU-Richtlinie durch den EuGH) gekippt, sie ist seit 1. Juli 2014 außer Kraft. Sie hatte Telekomanbieter seit April 2012 verpflichtet, Daten aller Telefon-, Handy- und Internet-Nutzer sechs Monate lang zu speichern. Die Ermittlungsbehörden konnten darauf bei Verdacht eines vorsätzlich begangenen Delikts mit Strafdrohung von mehr als einem Jahr Haft zugreifen.
Genehmigte Datenzugriffe
Österreichs Justizminister Wolfgang Brandstetter kann sich eine Neuauflage nur unter der Voraussetzung vorstellen, dass sie auf Fälle von Schwerstkriminalität eingeschränkt wird und Datenzugriffe von einem Richter genehmigt werden. Dann hält er die Speicherung sämtlicher Kommunikationsverbindungsdaten für durchaus vernünftig, wie er am Donnerstag im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats sagte.
Sein Sektionschef Christian Pilnacek ist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" wesentlich zurückhaltender. "Soweit ich das sehe, ändert das deutsche Vorhaben nichts an der maßgeblichen Kritik des EuGH an der anlasslosen Speicherung von Daten." Bevor man über eine Nachfolgeregelung debattiere, sollte das Innenministerium erheben, wo man in Ermittlungen nicht weitergekommen sei, weil entscheidende Daten gefehlt hätten. Aus der Anwendung der Vorratsdatenspeicherung bis zu ihrer Aufhebung könne man das nicht herauslesen. Dabei gab es nämlich keinen Bezug zu terroristischen Straftaten. Zudem seien 99 Prozent des Materials Handydaten gewesen. Bei den Terrorermittlungen geht es aber stark um Internetkommunikation.
Pilnacek geht nicht zwangsläufig davon aus, dass eine juristisch wasserdichte Nachfolgeregelung möglich und politisch gewünscht ist. Falls das aber der Fall sei, bringt er erneut "Quick Freeze" ins Gespräch. Anstatt der im Zuge der Vorratsdatenspeicherung bisher erfassten Telefon- und Internetdaten sind nur noch jene Bestands- und Verkehrsdaten betroffen, die Provider von ihren Kunden regulär für Abrechnungszwecke speichern und nach Verwendung sofort löschen. Eine langfristige Datensicherung erfolgt nur im Einzelfall bei begründetem Verdacht. Diese "eingefrorenen" Daten werden allerdings erst bei Vorliegen eines richterlichen Beschlusses an die Ermittlungsbehörde übergeben.
"Kernproblem bleibt"
Christof Tschohl vom Arbeitskreis Vorrat - er ist Jurist und hat die Vorratsdatenspeicherung in Österreich bekämpft - rechnet damit, dass ein neuer Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung kommen wird. Er hofft allerdings darauf, dass sich Pilnacek mit dem Vorschlag für "Quick Freeze" durchsetzen kann. Die Variante, auf die sich die deutsche Koalition geeinigt hat - so sie denn so beschlossen wird - werde vor dem EuGH nicht standhalten, da sie das Kernproblem der Massenspeicherung weiterhin enthält. Und der Datenschützer warnt auch gleich die österreichische Politik: Vorratsdatenspeicherung werde von der AK Vorrat massiv bekämpft werden.