Zum Hauptinhalt springen

Breitseite gegen Impfpflicht

Von Daniel Bischof

Politik

Befürworter der Impfpflicht sind im Begutachtungsverfahren bisher klar in der Minderheit.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Üblicherweise ziehen parlamentarische Begutachtungsverfahren keine Massen an. Einige Dutzend Stellungnahmen, wenn überhaupt, langen zu den meisten Gesetzesinitiativen ein. Nicht so beim Covid-19-Impfpflichtgesetz. Mehr als 54.000 Stellungnahmen wurden zum Initiativantrag mit Stand Dienstagnachmittag abgegeben.

Der ganz überwiegende Teil stammt von Privatpersonen, die sich gegen die Impfpflicht aussprechen. Befürworter finden sich im Begutachtungsverfahren kaum - mit Ausnahme mancher Institutionen, die sich bereits zum Entwurf geäußert haben.

Kritiker halten die Maßnahme für rechtlich unzulässig. Die Rechtsanwältin Andrea Steindl schreibt vom "wohl gravierendsten Grundrechtseingriff in der österreichischen Rechtsgeschichte". Die Impfpflicht sei "weder erforderlich, geeignet noch verhältnismäßig und stellt auch nicht das gelindere Mittel dar". Sie verstoße gegen "das Recht auf Leben und das Recht auf Privatleben". So wie in vielen anderen Stellungnahmen äußert sie die Befürchtung vor mittel- und langfristigen Schäden, die durch die Impfung mutmaßlich entstehen könnten.

"Impfpflicht am Ende des Winters"

Auch Martin Sprenger, Arzt, Gesundheitswissenschafter und Leiter des Universitätslehrgangs Public Health an der MedUni Graz, hat sich als Privatperson geäußert. Es seien "bei Weitem nicht alle Anstrengungen unternommen" worden, um die Impfquote zu steigern. Von Anfang an habe es an "Investitionen in proaktive Zugänge und niederschwellige Angebote" gemangelt.

Weiters müsse gefragt werden, "ob eine Impfpflicht am Ende des Winters generell eine wissensbasierte und epidemiologisch sinnvolle Entscheidung ist", so Sprenger. Diese und andere Fragen sieht er nicht ausreichend wissenschaftlich begründet. Und solange dies nicht der Fall sei, sei die Maßnahme aus "gesundheitswissenschaftlicher Sicht in jedem Fall strikt abzulehnen".

"Einstimmig für die Einführung einer Impfpflicht" spricht sich hingegen die "Österreichische Universitätenkonferenz" (uniko) aus. "Nur so wird die aus wissenschaftlicher Sicht notwendige hohe Durchimpfungsquote erreicht." Sie empfiehlt, zusätzlich zur Impfpflicht auch "umfassende Begleitmaßnahmen" zu setzen, mit denen die Impfbereitschaft positiv beeinflusst wird.

Apotheker wollen impfen dürfen

Eine knappe Stellungnahme gibt es auch vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin an der Uni Wien. An der Impfpflicht sei "keine Kritik zu üben, sofern dies als ultima ratio für die Abwehr der von der Pandemie ausgehenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit geboten ist". Aus ethischer Sicht sei dem "legitimen Schutzziel der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als Recht der gesamten Bevölkerung zuzustimmen".

Für die Österreichische Apothekerkammer muss die Pflicht mit einer "Erweiterung der Impfmöglichkeiten" einhergehen. Sie fordert, dass Apothekern erlaubt wird, Impfungen zu verabreichen. Es müsse die "größtmögliche Vielfalt, Verfügbarkeit und Niederschwelligkeit der Impfangebote" vorhanden sein, damit Menschen der Pflicht nachkommen können.

Für problematisch hält die Österreichische Apothekerkammer, dass die Impfpflicht nur für in Österreich wohnende Personen gilt und zugleich die 3G-Regel am Arbeitsplatz aufrecht bleibt.

Dadurch könnten Pendler aus dem Ausland weiter in Spitälern und Heimen tätig werden, "ohne der allgemeinen Impfpflicht zu unterliegen". Es sei daher zu erwägen, die Impfpflicht auf "in Österreich im Gesundheitsbereich tätige Personen" zu erweitern, so die Apothekerkammer.

"Kein signifikanter Einfluss auf Pandemiegeschehen"

Scharf gegen die Impfpflicht spricht sich der Verein "ARGE Daten" aus. Er hält den Entwurf für nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung kompatibel. Zudem lasse die Impfpflicht "keinen signifikanten Einfluss auf das Pandemiegeschehen erwarten und widerspricht Grundrechten, insbesondere der Achtung auf Privat- und Familienleben". Es fehle dem Vorhaben die "verfassungsrechtliche Legitimation".

Während einige Stellungnahmen sachlich gehalten sind, spricht aus anderen die Polarisierung. Sogar vor Vergleichen mit der Nazi-Diktatur wird manchmal nicht zurückgeschreckt. Ein Kritiker appelliert etwa an die Nationalratsabgeordneten: "International werden die in Österreich durch Regierung und Medien praktizierte Hetze und Maßnahmen gegen Ungeimpfte sowie dieses Gesetz bereits scharf als Faschismus kritisiert und auch das Gesetz als Schritt zur Wiedergeburt des Dritten Reichs gesehen. Sie wollen doch nicht Geburtshelfer spielen?"

Stellungnahmen von juristischen Institutionen wie dem Verfassungsdienst liegen noch nicht vor. Verfassungsrechtler haben dem Entwurf bisher aber ein gutes Zeugnis ausgestellt. Christoph Bezemek von der Uni Graz meinte, dass die grundrechtliche Abwägung "sehr sorgfältig" vorgenommen worden sei. Als möglicher Stolperstein wird von Juristen aber die sich ausbreitende Omikron-Variante bewertet. Die Begutachtungsfrist läuft noch bis 10. Jänner. In Kraft treten soll die Impfpflicht Anfang Februar.

Anmerkung der Redaktion: Im ersten Absatz wurde der letzte Satz aufgrund eines Leserhinweises um den Teil "wurden zum Initiativantrag" ergänzt.