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Breiviks Prozess

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Ja, Anders Behring Breivik missbraucht seinen Gerichtsprozess in Oslo, um Werbung für jene politische Weltanschauung zu machen, die ihn dazu gebracht hat, 77 Menschen, den Großteil davon Jugendliche, kaltblütig zu ermorden. Das ist in der Tat nur schwer erträglich für jede Gesellschaft, die sich der Würde des Menschen und dem Kampf gegen Rassismen aller Art verschrieben hat. Umso mehr, als eine Facebook-Seite mit dem Titel "Stoppt die Islamisierung Norwegens" bereits rund 10.000 Unterstützer aufweist.

Breivik wird diese Nachricht mit Freude zur Kenntnis nehmen, seine Botschaft scheint doch auf einen fruchtbaren Boden zu fallen. Zumal sie seit Tagen von sämtlichen Medien rund um den Globus im Zuge der Berichterstattung über den Prozess unter die Leute gebracht wird und genau dies von Anfang an zur Strategie des Massenmörders gehörte.

Sollten die Medien also besser gar nicht über Breivik, über seine Motive und Hintergründe berichten? Oder zumindest so wenig wie irgendmöglich?

Für Breivik selbst, gesetzt den Fall, dieser ist nicht nur ein hochgradig verirrter Geist, wäre dies wahrscheinlich sogar die härteste aller möglichen Strafen, sieht sich der Massenmörder doch als auserwählten Kämpfer mit politischer Mission. Ohne Öffentlichkeit keine Botschaft - und ohne Botschaft keine Bewegung.

Trotzdem wäre ein Totschweigen des Prozesses durch die Medien falsch. Und zwar aus prinzipiellen Gründen. Dass über Schuld und Unschuld nicht länger hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, sondern vor den kontrollierenden Augen und Ohren der Öffentlichkeit, ist eine Errungenschaft der Aufklärung. Man sollte dies nicht ohne zwingende Gründe, etwa wenn es um die Intimsphäre von Opfern geht, beiseite wischen. Allein schon, um etwaigen Märtyrer- und Legendenbildungen entgegenzuwirken.

Nicht mit Pathos oder Showeffekten, sondern allein durch kühle, sachliche Nüchternheit kommen Gerichte ihrer Aufgabe nach. Das gilt auch für solche Verbrechen, für die nun Breivik der Prozess gemacht wird. Ein Prozess braucht weder Helden noch Bestien, sondern valide Beweise und ein Urteil, das dem, was man gemeinhin unter Gerechtigkeit versteht, so nahe wie möglich kommt. Und Aufgabe der Medien ist es, darüber zu berichten.