Bahnexperte über Brennerbasistunnel: "10 Milliarden Euro nur Mindestkosten." | Finanzierung wird mit rund 50 Prozent zusätzlich zu Buche schlagen. | Wien. Der Brennerbasistunnel ist in vielfacher Hinsicht eine Megabaustelle. Nicht nur droht der Konflikt zwischen dem Finanzministerium und der Bahn, das riesige Vorhaben erneut zu verzögern. Auch was die geplanten Kosten des Schienenprojekts angeht, tauchen erneut Zweifel auf, ob alle Berechnungen klar auf dem Tisch liegen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die 9,7 Milliarden Euro Kosten für das Mammutschienenprojekt Brennerbasistunnel sind wohl bereits überholt, bevor sich Ministerium und ÖBB einvernehmlich auf einen Finanzfahrplan geeinigt haben. "Unter 10 Milliarden Euro wird es nicht gehen", erklärt der Verkehrsökonom Sebastian Kummer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Durch das Verschieben von Baulosen in die Zukunft könnte das Tunnelprojekt noch höher zu Buche schlagen als bisher geplant. Mit jedem Jahr, um das dieses Vorhaben später realisiert wird, steigen auch die Baukosten weiter an. "Der Grund dafür sind die allgemein üblichen Preisgleitungsklauseln", erläutert Kummer.
Zudem werde bei der öffentlichen Diskussion vergessen, dass die Finanzierungskosten in den offiziellen Zahlen von 9,7 Milliarden Euro nicht aufscheinen. Kummer geht von einem Mindestzuschlag von rund 50 Prozent aus, wobei genauere Prognosen nicht möglich sind. "Niemand weiß heute, wie das Zinsniveau in zehn Jahren aussehen wird."
Die Zulaufstrecken im Süden und Norden werden die Gesamtkosten abermals hinauftreiben. Allein für den Streckenabschnitt auf italienischem Staatsgebiet geht der Fachmann von 10 Milliarden Euro aus (wieder ohne Finanzierungskosten). Zwischen Franzensfeste und Verona müssen noch viele Tunnel errichtet werden. Allein die Stadt Bozen stelle ein großes Problem dar. "Der Bahnhof liegt Mitten in der Stadt. Die Strecke müsste wegen der Güterzüge aus dem Wohngebiet in den Berg verlegt werden." Der Abschnitt in Deutschland hingegen bilde - rein geografisch - kein großes Hindernis.
Politik rudert nachÖBB-Konflikt zurück
Nach der Absage des ÖBB-Sonderaufsichtsrats, bei dem ursprünglich für Dienstag entscheidende Weichenstellungen für den Brennerbasistunnel geplant waren (die "Wiener Zeitung" berichtete), gibt sich die Politik nun vorsichtiger als zuletzt. Sowohl Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll als auch Infrastrukturministerin Doris Bures sind derzeit um Beruhigung bemüht.
Beide sehen das Projekt als nicht gefährdet an. Pröll betont, dass der momentane Plan für den Brenner (er sieht eine Fertigstellung des Tunnels bis spätestens 2025 vor) im Budget "voll inhaltlich eingestellt" sei und abgewickelt werden könne. Bures versichert ebenfalls, dass das Projekt fortgesetzt werde. Voraussetzung sei allerdings das Vorliegen der unterschriebenen Zuschussvereinbarung zwischen Regierung und ÖBB. Die Ministerin rechnet damit, dass die entsprechenden Unterschriften bis kommende Woche vorliegen werden.