Open-Europe-Studie: EU-Austritt könnte britische Wirtschaft bis zu 2,2 Prozent des BIP kosten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
London. Brexit - ja oder nein? Mit den heranrückenden Unterhauswahlen gewinnt in Großbritannien die kontroverse Debatte über die künftige Rolle des Inselstaates innerhalb Europas an Vehemenz. Um den EU-Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte David Cameron schon im Vorjahr versprochen, die Briten für den Fall, dass er Ministerpräsident bleibt, Ende 2017in einem Referendum über einen möglichen EU-Austritt entscheiden zu lassen. Die rechtspopulistische United Kingdom Independent Party (Ukip), die mit ihrem Anti-EU-Kurs die Konservativen im Wahlkampf vor sich hertreibt, verlangt eine Vorverlegung der Abstimmung auf 2015. Jüngst machte Ukip-Chef Nigel Farage davon die Unterstützung einer allfälligen konservativen Minderheitsregierung nach dem 7. Mai abhängig. Warnungen vor negativen Auswirkungen eines allfälligen EU-Austritts auf Großbritanniens Wirtschaft tun die Rechtspopulisten als Panikmache ab.
Verlustgeschäft mit 77 Milliarden Euro
Doch wie hoch wäre der Preis tatsächlich, den das Land für einen Brexit zahlen müsste? Relativ hoch, wenn die Briten keine ehrgeizigen Gegenmaßnahmen ergreifen, glaubt der britische Think Tanks Open Europe.
Im schlimmsten Fall würde Großbritannienals Nicht-EU-Mitglied im Jahr 2030 bis zu 2,2 Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) eingebüßt haben - das entspricht 56 Milliarden Pfund (77 Milliarden Euro), heißt es in einer Studie, die Open Europe am Montag veröffentlicht hat - ein solches Szenario würde dann eintreten, wenn es der Inselstaat versäumen würde, nach dem Austritt Handelsabkommen mit den ehemaligen EU-Partnern und anderen Handelspartnern abzuschließen.
Selbst für den Fall, dass Großbritannien mit Ländern innerhalb und außerhalb der EU eigene Freihandelsverträge abschließe, könnte der durch den Brexit bedingte Verlust an Wirtschaftsleistung bis 2030 nicht vollständig kompensiert werden, warnen die Autoren.
Im Best-Case-Szenario läge das BIP im Jahr 2030 zwar um 1,6 Prozent höher als im Falle eines EU-Verbleibes Großbritanniens. Doch dazu müssten mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, was mehr als unwahrscheinlich sei, so die Studie: ein abgeschlossenes Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, gepaart mit einer "äußerst ambitionierten" Deregulierung der britischen Wirtschaft sowie deren vollständiger Öffnung für den Handel mit den Ländern weltweit.
Wider Ukips politische Grundsätze
Großbritannien müsste seinen Arbeitsmarkt vollständig für Migranten öffnen. Dies würde britische Arbeiter jedoch einem immer stärker werdenden Wettkampf mit Niedriglohnländern aussetzen, folgern die Verfasser der Studie. Eine Perspektive, die wohl kaum ein Brite gutheißen würde, schon gar nicht die Sympathisanten der rechtsnationalen Ukip, die lautstark gegen Brüssel wettert. Der wirtschaftliche Gewinn trotz Brexit bleibt daher Theorie.
Als wahrscheinlichstes Ergebnis eines EU-Austritts nennen sie einen dauerhaften Rückgang des BIP um 0,8 Prozent - und zwar dann, wenn ein vollumfänglicher Handelsvertrag zwischen den Briten und der EU zustande käme - Großbritannien aber keine weiteren Maßnahmen setzen würde. Sollten im Zuge eines Brexits zudem mehrere Deregulierungsschritte gesetzt und einige Handelsabkommen außerhalb der EU abgeschlossen werden, sei gar ein Plus von 0,6 Prozent des BIP drinnen. Eine Studie der Société Généralewarnte, dass die Exporte in die EU - sie betragen rund 15 Prozent des britischen BIP - in den kommenden zehn Jahren um bis zu fünf Prozent einbrechen könnten.