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Brexit und der Jammer mit den Ursprungsregeln

Von Anton Fischer

Recht
Anton Fischer ist Wirtschaftsanwalt in Österreich mit internationaler Erfahrung und in England & Wales zugelassener UK Solicitor. Neben seiner auf Gesellschafts-, Transaktionsrecht und Brexit spezialisierten Rechtsberatung ist der Gründer von FISCHER FLP Lehrbeauftragter an der University of Birmingham für Internationales Handelsrecht.
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Rechtzeitig vor Ablauf der Brexit-Übergangsfrist konnten sich die EU und das Vereinigte Königreich (VK) Ende vergangenen Jahres doch noch auf ein Handels- und Kooperationsabkommen einigen. Als Teil davon soll der grenzüberschreitende Warenhandel von Präferenz- (Null-) Zollsätzen und dem Unterbleiben mengenmäßiger Beschränkungen profitieren.

Doch die Sache mit den Null-Zollsätzen hat einen Haken: Um diese in Anspruch nehmen zu können, müssen die gehandelten Waren die vereinbarten Ursprungsregeln erfüllen. Diese bestimmen den Ort, an dem Waren erzeugt oder hergestellt wurden und damit gewissermaßen die "wirtschaftliche Staatszugehörigkeit" der gehandelten Waren.

Nichtpräferenzieller versus präferenzieller Ursprung

In EU-Zollangelegenheiten wird der Kommission folgend und wie allgemein üblich zwischen zwei Ursprungsarten unterschieden. Nichtpräferenzielle Ursprungsregeln dienen der Bestimmung des Warenursprungs zur Anwendung internationaler Handelsbestimmungen bzw. zur Umsetzung handelspolitischer Maßnahmen. Dem gegenüber bestimmen Präferenzursprungsregeln, ob Händler von als Ursprungserzeugnisse zu qualifizierender Waren von Handelserleichterungen profitieren können. Wird der präferenzielle Ursprung nachgewiesen, dürfen diese zu niedrigeren Zollsätzen oder zum Null-Zollsatz eingeführt werden. Selbstverständlich wirkt sich dies positiv auf den Weiterverkaufspreis und damit die Konkurrenzfähigkeit lokaler Produkte aus.

Voraussetzungen für Ursprungserzeugnisse

Für den Erwerb der Ursprungseigenschaft müssen die in Frage kommenden Waren die im Handelsabkommen festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Die Waren müssen entweder vollständig im VK oder der EU gewonnen oder aus Vormaterialien hergestellt worden sein, die vollständig im VK bzw. der EU gewonnen oder hergestellt wurden.

Die Ursprungseigenschaft kann aber auch erlangt werden, wenn Waren in einem begünstigen Land ausreichend be- bzw. verarbeitet wurden. Dabei darf nur ein bestimmter Anteil an Vormaterialien aus Drittstaaten verwendet werden.

Vollständige Gewinnung oder Erzeugung

Das Abkommen nennt eine Reihe von Produkten, die als Ursprungserzeugnisse gelten, wenn sie nachweislich vollständig in einem Land gewonnen werden. Hierzu zählen insbesondere pflanzliche Produkte, bestimmte Tierarten aber auch Abfall und Schrott.

Für die Erzeugung aus Vormaterialen müssen sämtliche verwendeten Stoffe aus dem VK oder einem EU-Mitgliedsstaat stammen und auch sämtliche Verarbeitungsschritte im jeweiligen Territorium getätigt worden sein.

Genügende Be- oder Verarbeitung

Waren ohne Ursprung in der EU oder dem VK können deren Ursprungseigenschaft auch durch Be- oder Verarbeitungen erwerben. Dies ist jedoch nur unter Einhaltung konkreter Vorschriften für die jeweiligen Waren möglich. Vor allem muss die Herkunft der für die Erzeugung verwendeten Stoffe bzw. Materialen nachgewiesen werden.

Außerdem müssen bei Gewinnung von Ursprungserzeugnissen durch Be- oder Verarbeitung bestimmte produktspezifische Bedingungen beachtet werden, wie etwa Tarifsprünge aufgrund einer Verarbeitungsklausel oder durch eine Wertschöpfungsklausel vorgeschriebener Höchstanteil von Vormaterialien aus Drittländern.

Erleichterungen durch Kumulierung

Die gute Nachricht ist, dass das Abkommen die Möglichkeit zur Kumulierung von Vorarbeiten vorsieht. Das bedeutet, dass im Warenhandel zwischen der EU und dem VK Be- oder Verarbeitungen, die im Territorium einer Vertragspartei durchgeführt werden, bei der Erlangung der Eigenschaft als Ursprungserzeugnis im jeweils anderen Gebiet berücksichtigt werden dürfen. Es müssen daher nicht sämtliche Be- bzw. Verarbeitungsschritte in einem Vertragsstaat vollzogen werden. Anrechenbare Vorerzeugnisse mit Ursprung im jeweils anderen Gebiet müssen daher nicht ausreichend be- oder verarbeitet werden.

Notwendigkeit zur Ursprungsbescheinigung

Der Nachweis des präferenziellen Ursprungs ist im Rahmen eines Selbstzertifizierungssystems zu erbringen. Bei der Ausfuhr müssen Händler den Warenursprung durch eine entsprechende Erklärung auf bescheinigen. Der Erklärungstext muss den im Abkommen vorgegebenen Inhalt aufweisen und kann auf der Lieferantenrechnung oder alternativ auch in anderen Handelsdokumenten abgegeben werden. Jedenfalls müssen die in Frage kommenden Waren zur Identifizierung ausreichend konkretisiert werden.

Der Brexit wird Händler künftig vor größere Herausforderungen stellen, als viele nach Abschluss des Handelsabkommens gedacht haben. Um vom Abkommen zu profitieren, müssen Waren ihren Ursprung in der EU oder im Vereinigten Königreich haben. Wenn Waren die Anforderungen der Ursprungsregeln nicht erfüllen oder wenn Händler dies nicht nachweisen können, müssen Zollabgaben geleistet werden. In jedem Fall warten Formalitäten.