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Bricht was auf in Osteuropa?

Von Franz Schausberger

Gastkommentare
Franz Schausberger ist Vorsitzender des Instituts der Regionen Europas (IRE).

Der Frust über alte Seilschaften und oligarchische Strukturen aktiviert die Bürgergesellschaft. Das ist gut für die Demokratie.


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Korruption, Parteienwillkür, unfähige Verwaltung und Justiz - das sind nur einige Assoziationen, wenn man an die Politik in Osteuropa denkt. Wir Westeuropäer haben aber keinen Grund, selbstgefällig auf diese Länder zu zeigen, und sollten außerdem nicht übersehen, dass in diesem Teil Europas etwas aufgebrochen ist, das bei uns noch ziemlich verkrustet beharrend weiterbesteht. Die Parteiendemokratie hat dort ziemlich heftige Sprünge bekommen, indem zunehmend integre und vertrauenswürdige Persönlichkeiten oder neue politische Bewegungen gewählt wurden, die mit den etablierten nichts gemein haben.

In Tschechien wurde die Aktion unzufriedener Bürger (ANO), eine politische Bewegung um den Unternehmer und Milliardär Andrej Babi, bei den Wahlen Ende 2013 mit fast 19 Prozent zweitstärkste Partei, im Jänner 2014 bildete sie mit Sozial- und Christdemokraten eine Regierung. Babi galt durch sein Vermögen als unbestechlich. Und das ist schon alles, was viele tschechische Wähler von ihren Politikern verlangen. Bei der EU-Wahl 2014 wurde ANO stärkste Kraft, in Prag stellt sie die Bürgermeisterin. Bei den Präsidentenwahlen 2013 kam Karel Schwarzenberg als Kandidat der atypischen Partei TOP 09 überraschend in die Stichwahl, musste sich aber mit beachtlichen 45 Prozent dem umstrittenen und vulgären Politiker Milo Zeman geschlagen geben. Allerdings hatte Schwarzenberg eine überwältigende Unterstützung bei der Jugend.

In der Slowakei hingegen gewann der Millionär Andrej Kiska die Präsidentschaftswahl im März 2014 gegen Premier Robert Fico, den Repräsentanten des herrschenden Systems. Kiska versprach den Kampf gegen Korruption und Justizversagen sowie gegen das marode Gesundheits- und Sozialsystem.

Große Hoffnungen werden im von Korruption und Skandalen geschüttelten Rumänien in den neuen Staatspräsidenten Klaus Johannis gesetzt. Der Ex-Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu) besiegte als Saubermann und Quereinsteiger unerwartet den sozialdemokratischen Premier Victor Ponta, den Repräsentanten eines riesigen postkommunistischen Netzwerkes von Politikern und Medien. Schon kurz nach der Wahl erfüllte das Parlament eine Forderung Johannis’: Es lehnte einen von Pontas Regierung eingebrachten Gesetzesentwurf zu einer Amnestie für verurteilte korrupte Politiker ab.

In Bulgarien gewann zwar die konservative Gerb des bulligen Bojko Borissow die Parlamentswahl im Oktober 2014, aber ein erstmals kandidierender rechtsliberaler Reformblock, aus den monatelangen Demonstrationen entstanden, erreichte auf Anhieb fast neun Prozent und bildet nun als Juniorpartner mit der Gerb die Regierung.

Der Frust über alte Seilschaften und oligarchische Strukturen aktiviert die Bürgergesellschaft und bringt Personen und Bewegungen hervor, die den stark ramponierten Demokratien wieder mehr Stabilität bringen könnten.

Wenig bis gar nichts rührt sich leider in Südosteuropa. Bleibt zu hoffen, dass etwa in Griechenland das Vertrauen der Bevölkerung in Demokratie, Regierung und Parteien nicht schon so weit verloren gegangen ist, dass der linkspopulistische Rattenfänger das Land total in den Abgrund führt.