Zum Hauptinhalt springen

Bringen die Wahlen eine Europäisierung des Balkans?

Von Wolfgang Libal

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Über mangelnde Möglichkeiten, sich durch Wahlen politisch äußern zu können, können sich die Bürger der post-jugoslawischen Staaten wahrlich nicht beklagen.

Mitte September fanden Parlamentswahlen in Mazedonien statt, am 29. September konnten die Serben einen neuen Republik-Präsidenten wählen und am 5. Oktober, dem kommenden Samstag, werden Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten in Bosnien-Herzegowina eine Reihe von Entscheidungen zu treffen haben. Nicht genug damit: Am 13. Oktober sind die Bürger Serbiens zu einem 2. Wahlgang im Rahmen der Präsidentenwahlen aufgerufen, weil im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit errungen hat.

Und im November müssen die Slowenen entscheiden, wer Nachfolger Kucans als ihr Staatspräsident wird.

Bringen diese Wahlen - mit Ausnahme der in Slowenien - aber einen Fortschritt in Richtung des jeweiligen Staates von einer Parteien-Herrschaft zu einer pluralistischen, nicht ethnokratischen, Mehrparteien-Demokratie?

Die Antwort auf diese Frage wird besonders für Bosnien-Herzegowina wichtig sein, das mit seinen zwei staatlichen Entitäten, der bosniakisch (muslimischen) - Kroatischen Föderation und der Republika Srpska und seinen drei nationalen Entitäten der Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten ein Sonderfall ist. Nachdem sich gezeigt hatte, dass dieses Land auf der Basis des Abkommens von Dayton als Gesamtstaat unregierbar ist, was auch durch einen Spruch des Obersten Gerichtshofes bestätigt wurde, leitete der damalige Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaften, der Österreicher Wolfgang Petritsch, Verfassungsänderungen in die Wege. Wie beinahe nicht anders zu erwarten, konnten sich die jeweiligen Parlamente der beiden staatlichen Entitäten auf diese nicht einigen. Petritsch blieb nichts anderes übrig, als sie aufgrund seiner Vollmachten dem Land aufzuerlegen.

Ihre wichtigste Bestimmung besteht darin, sicherzustellen, dass den drei "konstitutiven" Völkern, also Muslimen, Serben und Kroaten im gesamten Staat Gleichberechtigung eingeräumt wird. Bisher betrachteten sich nämlich die Serben in der Republik Srpska als "staatstragend" und Bosniaken und Kroaten als "Minderheiten" und umgekehrt wurden die Serben in der Föderation als Minderheit und Muslime und Kroaten als "staatstragend" eingestuft. Und damit soll jetzt Schluss sein. Andererseits sollen aber die drei "Nationen" ihre gesamtstaatlichen Interessen auch in einer zweiten Kammer wahren können, in der sie jeweils durch 8 Vertreter (und 4 von seiten der Minderheiten) repräsentiert sein werden. Ob die Wähler nun diese Neuerungen honorieren werden? Was sich im "Wahlkampf" abgespielt, hat Beobachter zu dem Schluss kommen lassen, dass es noch niemals einen so schmutzigen in Bosnien-Herzegowina gegeben habe. Und zwar weniger auf der nationalen Ebene als zwischen den einzelnen Parteien innerhalb der jeweiligen Entitäten, die sich gegenseitig nationalen Verrat, Korruption und Kriminalität vorwarfen. Ganz abgesehen davon, dass die meisten an der nationalen Exklusivität ihrer staatlichen Entität festhalten wollten.

In Serbien selbst hat ja auch Vojislav Kostunica, der die nationale Karte spielte, im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen. Und er hat die besten Aussichten, sich auch im 2. Wahlgang gegen den Vertreter der "europäischen Linie" Miroslav Labus durchzusetzen.