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Britischer Traum vom EU-Austritt

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Gruppe konservativer Abgeordneter fordert von Premier Cameron Vetorecht für Großbritannien.


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Brüssel/London. Ein wenig Hilflosigkeit mischt sich in die Reaktionen aus den EU-Institutionen, wenn es um britische Vorstöße geht. Vor ein paar Wochen noch warnte Sozialkommissar Laszlo Andor Großbritannien davor, das "hässliche Land" der Gemeinschaft zu werden. Und Justizkommissarin Viviane Reding verstand die Haltung Londons nicht, das ansonsten ein Verfechter der EU-Erweiterung war, aber nun die Auswirkungen - wie Freizügigkeit der Arbeitnehmer - kritisiert. Immer wieder betont die Brüsseler Behörde außerdem, dass sich EU-Mitglieder an EU-Gesetze zu halten haben.

Doch an denen wird auf der Insel trotz der Mahnungen und Aufrufe ständig gerüttelt. Zuletzt forderten fast hundert Abgeordnete der Konservativen Partei von ihrem Vorsitzenden und Premierminister David Cameron ein Vetorecht gegen Unionsgesetze. In einem von der Zeitung "Sunday Telegraph" veröffentlichten Brief wünschten sie sich für das britische Parlament die Möglichkeit, EU-Recht nicht anzunehmen, wenn es "vitale nationale Interessen" berühre. Außerdem sollte das Land aus der Europäischen Grundrechte-Charta sowie aus der europäischen Sozial- und Arbeitsgesetzgebung aussteigen. Diese sei schädlich für die britische Wirtschaft und das Sozialsystem.

Die Kommission kann darauf nicht viel mehr tun, als auf die bestehenden Regeln zu verweisen. Diese seien immerhin im Konsens mit den Mitgliedstaaten - also auch mit Großbritannien - vereinbart worden, heißt es dort. Ähnlich formulierte es Andor, als er einen Leitfaden "zur Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes für die Zwecke der sozialen Sicherheit" präsentierte. Denn die jüngste Debatte, die sich die britischen EU-Skeptiker zunutze machen, entzündete sich an der Diskussion um möglichen Missbrauch sozialer Dienstleistungen, nachdem der Arbeitsmarkt für die jüngeren EU-Mitglieder aus Rumänien und Bulgarien mit Jahresanfang geöffnet wurde.

"Schließen Diskriminierung wegen Nationalität aus"

Zwar regeln die Staaten die Bedingungen für den Erhalt von Sozialhilfe selbst, doch gibt es Rahmenbedingungen. So haben laut Kommission beschäftigte und selbstständig Erwerbstätige in dem Land Anspruch auf Sozialleistungen, in dem sie arbeiten. Pensionisten oder Studenten aber sind in dem Staat anspruchsberechtigt, wo ihr "gewöhnlicher Aufenthalt" ist. Bei diesem werden familiäre Bindungen, Wohnsituation, Dauer des Aufenthalts und anderes berücksichtigt.

"Wir schließen jedoch jede Änderung aus, die diskriminierend in Hinblick auf die Nationalität wäre", betonte Andor. Der Streit um die Sozialhilfe ist nicht neu, schon vor einem halben Jahr hat die EU-Kommission ihn an den Europäischen Gerichtshof weiter gereicht. Die Behörde wirft Großbritannien nämlich vor, EU-Bürger ohne britischen Pass bei Sozialtransfers zu benachteiligen.

Auch der Zwist um Ausnahmen von EU-Recht schwelt seit Monaten. So hat zwar der britische Außenminister William Hague den Vorstoß der konservativen Abgeordneten abgelehnt, doch noch im Sommer des Vorjahres hat er selbst über eventuelle Blockaden von EU-Gesetzen laut nachgedacht. Den nationalen Parlamenten sollten mehr Möglichkeiten gewährt werden, die Unionsgesetzgebung abzulehnen.

Änderung nur durch Änderung der EU-Verträge

Das Vetorecht der Staaten ist allerdings mit dem Vertrag von Lissabon eingeschränkt worden. Wollte Großbritannien dies neuerlich ändern, müssten die EU-Verträge neu geschrieben werden - was ein jahrelanger Prozess ist.

Das hinderte Premier Cameron aber nicht daran, eine Neuverhandlung der Befugnisse der Gemeinschaft anzukündigen, um "Kompetenzen nach London zurückzuholen" - falls er im kommenden Jahr wiedergewählt wird. In einem Referendum sollen die Briten dann später entscheiden, ob sie in der EU bleiben möchten. Diese Befragung ist vor wenigen Tagen einen Schritt näher gerückt. Der Gesetzesentwurf der Konservativen dazu passierte nämlich das Oberhaus in zweiter Lesung. Jedoch erklärten Abgeordnete der mitregierenden Liberaldemokraten und der oppositionellen Labour-Partei, die endgültige Verabschiedung verzögern zu wollen.

Haltung gegen die EU bringt Wählerstimmen

Die in Großbritannien immer wieder entworfenen Austrittsszenarien sorgen genauso oft für Unmut auf dem Kontinent. So kommentierte der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, dass es besser wäre, wenn London sich um Reformen innerhalb der Union bemühen würde, anstatt mit dem Ausstieg zu drohen. In der Kommission wird auf die innenpolitische Situation auf der Insel verwiesen, um die mögliche Gefährdung des Zusammenhalts der Gemeinschaft zu relativieren. Ebenso pocht die Behörde darauf, dass sich die Parteien an Urteile des Europäischen Gerichtshofs halten müssen. Andernfalls drohe eine Geldstrafe.

Das könnte die Skepsis gegenüber oder gar Ablehnung der EU in Großbritannien jedoch noch weiter steigern - was auch die Parteien aufgreifen werden. Denn mit einer negativen Haltung zur Union lassen sich zunehmend Wählerstimmen gewinnen. Das wird sich wohl bereits bei den Europawahlen im Mai zeigen, bei denen die Unabhängigkeitspartei Ukip auf zahlreiche Unterstützung hofft.