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Britisches Oberhaus ändert Entwurf des Brexit-Gesetzes ab

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Lords und Ladies fordern Garantien für EU-Bürger auf der Insel. Verzögern können sie den Zeitplan von Premierministerin Theresa May ein wenig - verhindern werden sie den EU-Austritt nicht.


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London. Für die einen sind sie die Notbremse vor dem Brexit. Für die anderen potenzielle Verräter der Demokratie. Viele Jahre sind Lords und Ladies im britischen Oberhaus still ihren Geschäften nachgegangen, fast gerieten sie in Vergessenheit. Nun aber stehen sie im Scheinwerferlicht.

Grund dafür ist der immer näher rückende EU-Austritt Großbritanniens. Das Gesetz, das Premierministerin Theresa May die Aufkündigung der EU-Mitgliedschaft erlaubt, hat es problemlos durchs Unterhaus geschafft. Im Oberhaus hingegen ist man nicht gewillt, die Regierung so einfach schalten und walten zu lassen. Und das ist für May ein Problem.

Denn im House of Lords gibt es keine konservative Mehrheit. Labour-Leute, Liberaldemokraten und nicht festgelegte Parlamentarier haben dort das Sagen. Und auch einige Tory-Oberhäusler würden den Brexit-Beginn gern mit ein paar Auflagen versehen. Von denen müsste das Unterhaus zumindest Notiz nehmen - auch wenn es sie überstimmen kann.

Um die erste Auflage ging es an diesem Mittwoch. Viele Oberhaus-Abgeordnete finden es "empörend", dass die Regierung 3,3 Millionen EU-Ausländern auf der Insel keine Garantie zum weiteren Verbleib einräumen will. Das Oberhaus stimmte mit 358 zu 256 Stimmen dafür, eine solche Garantie zur Bedingung für die Kündigung der EU-Mitgliedschaft zu machen. Es war der erste parlamentarische Beschluss überhaupt, der dem Brexit-Kurs der Regierung zuwider lief.

Eine weitere Auflage, die viele Oberhäusler gern mit dem Verhandlungsbeginn verbunden sähen, wäre das ausdrückliche Recht des Parlaments, über das Endergebnis der Verhandlungen mit der EU zu befinden - einschließlich der Option, den Brexit noch ganz abzubrechen oder sogar ein zweites EU-Referendum auszuschreiben.

Über diese Frage soll in den nächsten Tagen noch abgestimmt werden. Schon jetzt haben sich die widerborstigen Lords und Ladies Kritik eingehandelt von den Hardline-Brexiteers. Die ungewählte zweite Kammer soll "ihre patriotische Pflicht" tun, erklärt Brexit-Minister David Davis. Sonst, fügt Davis-Parteikollege Sir Oliver Letwin hinzu, setze die Adelskammer nur "ihre eigene Zukunft aufs Spiel". Auch laut führendem EU-Gegner Lord Lamont darf sich das Oberhaus keinesfalls gegen einen klaren Unterhaus-Beschluss und schon gar nicht gegen "den Volkswillen" stellen. Sollte es das trotzdem tun, meint Lord Lamont, hätte es "nicht verdient zu überleben".

Das halten Regierungskritiker allerdings für Unfug. In der Vergangenheit, argumentieren sie, sei den Tories ein unbequemes Oberhaus als Kontroll- und Revisionsinstanz immer dann recht gewesen, wenn es Labour-Pläne abgebremst habe. Überhaupt liege den Konservativen Westminsters Traditionsbastion mehr am Herzen als allen anderen Parteien.

Als wenig hilfreich erwiesen haben sich in dieser Situation Äußerungen aus dem Oppositionslager. Labours Baronin D’Souza, eine ehemalige Sprecherin der Kammer, sagte der BBC, dass "viele Oberhaus-Abgeordnete absolut keinen Finger krümmen und sich trotzdem ihre volle Tagespauschale auszahlen lassen". Ihr liberaldemokratischer Kollege Lord Tyler nannte das House of Lords kichernd "die beste Tagesstätte für die ältere Generation in London". Hier könnten Familien ihre noblen Senioren mit gutem Gewissen abliefern, weil sie wüssten, "dass sich die Angestellten dort rührend um sie kümmern".

Vom Brexit aufgeschreckt, wollen die Oberhäusler nun rebellieren. Ihre Rebellion hat aber Grenzen. Schon nächste Woche könnte das Unterhaus ihre Auflagen zunichtemachen. Wenn die Gesetzesvorlage dann ans Oberhaus zurückginge, wäre kein weiterer Widerstand zu erwarten. Labour hat, genau wie im Unterhaus, versprochen, dass es den Brexit "nicht blockieren" wird.