Zum Hauptinhalt springen

Bronze glänzt schöner als Silber

Von Christoph Rella

Kommentare

Brasilien kann im Spiel um den dritten WM-Platz gegen die Niederlande eigentlich nur gewinnen. So wie Österreich vor 60 Jahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Was haben Österreich und Brasilien gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht sehr viel. Gut, beide Länder hatten einmal eine Habsburgerin als Kaiserin, die noch dazu über Tiroler Untertanen/Auswanderer herrschte. Aber das war es auch schon. Eine (fußballerische) Gemeinsamkeit gibt es aber dennoch: das Spiel um den dritten WM-Platz.

Erinnern wir uns zurück: Auch Österreich stand einmal - bei der Fußball-WM 1954 in Schweiz - im Halbfinale. Allein, die Partie gegen Deutschland in Basel endete wie im Fall der Brasilianer am Dienstag mit einem Debakel. Mit 1:6 wurden damals Ernst Happel, Gerhard Hanappi und Co. von der deutschen Elf abgefertigt. Für die Österreicher bedeutete das nicht nur eine bittere Schmach, sondern auch einen neuen Rekord. Noch nie war ein Team in einem WM-Halbfinale so hoch geschlagen worden - bis jetzt, wie wir seit dieser Woche wissen. Das Bummerl haben nun die Brasilianer geerbt.

Das heißt jetzt aber nicht, dass die WM für die Gastgeber gelaufen ist, wartet doch noch mit dem Spiel um Platz drei eine letzte Gelegenheit, vielleicht etwas irgendwie wiedergutzumachen: mit einem Sieg gegen Semifinalverlierer Nummer zwei. Das mag auf den ersten Blick nicht sonderlich sexy klingen, aber man sollte das positive Potenzial, das in dieser "Begegnung der Verlierer" schlummert, nicht unterschätzen. Es ist doch so: Besser das Spiel um Platz drei gewinnen und erhobenen Hauptes aus dem Turnier scheiden als das Finale verlieren. Wer weiß, was den Österreichern bei der WM vor 60 Jahren erspart geblieben ist? Anstatt den Edelkomparsen für das deutsche "Wunder von Bern" zu geben, hat die ÖFB-Auswahl mit ihrem sensationellen 3:1-Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Uruguay noch einmal gezeigt, was sie kann - und damit am Ende allen Grund zum Jubeln gehabt. Nicht anders haben es übrigens auch die Deutschen bei der Heim-WM 2006 gehalten und nach dem 3:1-Sieg ihrer Mannschaft im Spiel um Platz drei gegen Portugal die Nacht zum Tag werden lassen.

So gesehen haben die Brasilianer in der Partie gegen die Niederländer am Samstag nichts zu verlieren, sondern wenn, dann nur etwas zu gewinnen. Dass Oranje-Teamchef Louis van Gaal derzeit grantelt und am liebsten das Spiel um Platz drei abblasen würde ("Es gibt nur einen Preis, der zählt, und das ist der Weltmeistertitel"), ist von ihm zwar nicht ganz fair, könnte aber jetzt der Seleção sportlich wie auch psychologisch zum Vorteil gereichen und sogar eine Art Happy End möglich machen.

Noch besser wäre es aus Sicht der gebeutelten brasilianischen Nation, wenn Deutschland auch noch das WM-Finale gegen den Erzrivalen Argentinien gewinnen würde. In Österreich wird das freilich nicht überall so gesehen. Aber man muss nicht alles gemeinsam haben, schon gar nicht den Erzfeind.