Bis auf die Person ist in der Frage des EU-Kommissars eigentlich alles klar: Die Verfassung legt fest, dass das Nominierungsrecht für den Vertreter Österreichs in der EU-Kommission bei der Bundesregierung liegt. Und eine Absprache zwischen den beiden Koalitionspartnern sieht vor, dass der Kandidat beziehungsweise die Kandidatin aus den Reihen der ÖVP zu stammen hat.
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Wer am Ende aus der Vielzahl der in den Medien kolportierten Bewerber das Rennen macht, wird davon abhängen, für welches Ressort Österreich in der nächsten EU-Kommission die Verantwortung übernimmt.
Nun wird, so will es ein Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP in der Präsidiale des Nationalrats, auch das Parlament mit der Kandidatenfrage befasst. Auf freiwilliger Basis soll es die Möglichkeit einer Aussprache des von der Regierung ausgewählten Kandidaten geben. Von einem Hearing mehrerer Bewerber, bei dem am Schluss das Parlament über die Auswahl entscheidet, wie es etwa Grüne, SPÖ, BZÖ und der schwarze EU-Mandatar Othmar Karas fordern, ist das jedoch meilenweit entfernt.
Es gilt als ein grundsätzliches Defizit der österreichischen politischen Kultur, dass das Parlament de facto in sämtlichen wichtigen Fragen nur ein Randdasein fristet. Die Schuld daran tragen wohl die 183 Abgeordneten des Nationalrats selbst, die sich - insbesondere die Mitglieder der jeweiligen Regierungsfraktionen - nur allzu oft zu willfährigen Erfüllungsgehilfen der Regierung ohne eigenen Gestaltungsanspruch degradieren lassen.
Natürlich gibt es viele sachliche Gründe für diese Machtverschiebung vom Parlament hin zur Exekutive mit ihrer Expertise in der Ministerialbürokratie. Dazu hat aber auch das Parlament mit der Vernachlässigung der eigenen Expertise beigetragen.
Im Scheinwerferlicht steht der Nationalrat nur noch als Bühne für politische Symbolik oder Hahnenkämpfe. Keine Frage, eine wichtige Rolle für die Kommunikation von Politik, aber eben zumeist nur eine indirekte und keine aktive Rolle.
Diese Bühne auch bei der Auswahl des nächsten EU-Kommissars zu nutzen, würde zumindest ein bisschen Licht in den völlig im Dunkel ablaufenden Auswahlprozess für einen der wichtigsten Posten dieser Republik bringen. Transparenz ist noch immer das beste Mittel gegen böse Gerüchte von personellen Mauscheleien.
Ein solches Vorgehen wäre jedoch allenfalls in einer idealen Demokratie vorstellbar - und Österreich ist davon eher weit entfernt. Hier scheinen die Grenzen der Parteiloyalitäten unüberwindlich. Überraschungen sind weitgehend ausgeschlossen. Deshalb kommt es auch bloß zu einer freiwilligen Aussprache statt einem Hearing.