Zum Hauptinhalt springen

Brown kämpft mit Griesgram-Image

Von Annette Reuther

Europaarchiv

Sieg Browns wäre ein kleines Wunder. | Wirtschaftskrise statt Wirtschaftsboom. | London. (dpa) Als sich Gordon Brown vor knapp drei Jahren vor die Kameras stellte und als neuer britischer Premierminister seinen Landsleuten den Wandel versprach, sah er sehr staatsmännisch aus. Doch schon damals kämpfte er mit einem Manko: Er war nicht vom Volk gewählt, sondern war nach zehn Jahren im Wartestand seinem Vorgänger Tony Blair gefolgt. Am 6. Mai stellt sich Brown erstmals dem Votum der Wähler. Der 59-Jährige kämpft dabei nicht nur ums eigene politische Überleben, sondern auch um eine vierte Amtszeit für seine Labour Party - für die Sozialdemokraten ein Rekord.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Selten waren ein Wahlausgang auf der Insel so unvorhersehbar, und die Umfragen so schwankend. Immerhin mühte sich Labour aber zuletzt aus ihrem historischen Tief heraus. Nach den vielen Demütigungen und Rückschlägen, die Brown in den vergangenen drei Jahren ertragen musste, käme es dennoch einem kleinen Wunder gleich, wenn Labour nach 13 Jahren an der Macht erneut gewänne. Brown stand mehrmals vor dem Sturz, während sich seine Partei in Grabenkämpfe verstrickte.

Introvertierter Politiker

Beliebt war Brown nie. Als Finanzminister hatte er zehn Jahre bis 2007 das wichtigste Ressort inne. Glanz und Gloria, die Strahlemann Blair umgaben, waren ihm nie wichtig. Sein Privatleben hielt der Pfarrerssohn, der in der schottischen Arbeiterstadt Kirkcaldy aufwuchs, weitgehend geheim. Zwar ist seine Frau Sarah, eine Marketingexpertin, im Wahlkampf aktiv. Aber Bilder von seinen beiden kleinen Söhnen gibt es bisher nicht. Es kam einer Revolution gleich, als Brown erstmals im Fernsehen Emotionen zeigte und mit den Tränen kämpfte, als er vom Tod seiner kleinen Tochter erzählte.

In den Monaten musste sich Brown einen neuen Anstrich verpassen. Zu hölzern kam er verglichen mit seinen jugendlichen Herausforderern David Cameron von den Tories und Nick Clegg von den Liberaldemokraten herüber. Doch auch wenn ihm seine Medienberater ein Lächeln verordnet haben: Es wirkt immer noch verkrampft. Seine Mimik kommt, auch weil er wegen eines Rugbyunfalls auf einem Auge blind ist, nicht gut an. "Wenn es hier ums Äußere und PR geht: Ohne mich! Wenn es um große Entscheidungen geht, um Urteilsvermögen und eine bessere Zukunft, dann bin ich Euer Mann", sagt Brown.

Doch nur knapp eine Woche vor der Wahl hat Brown sein Griesgram-Image erneut untermauert. Nach einem Gespräch mit einer Wählerin wurde Brown erwischt, wie er diese "engstirnig" nannte. Die Unterhaltung mit ihr sei "ein Desaster" gewesen. Brown entschuldigte sich zwar prompt: "Ich werfe mir das selbst vor, man muss aber auch darauf hinweisen, [...] dass es ein privates Gespräch war. [...] Solche Dinge können geschehen, und ich entschuldige mich vielmals bei der Dame." Doch der Schaden war bereits angerichtet.

Lack bei Labour ist ab

Trotzdem hat Labours Erbe hat bereits einen Platz in der Geschichte: In den 13 Jahren New Labour, die Brown neben Blair mitprägte, hatte Großbritannien nach einer langen Durststrecke unter den Tories den Aufschwung geschafft; die Arbeitslosigkeit sank jahrelang, die Wirtschaft boomte.

Doch nun ist der Lack ab, nicht erst seit der Wirtschaftskrise. Der Irak-Krieg, den Blair gegen den Willen des Volkes durchdrückte, sorgte für einen Imageverlust der Partei. Die Briten wünschen sich den Wandel. "Sie müssen nicht fünf weitere Jahre Brown ertragen!" - mit diesem Slogan geht Konkurrent Cameron mit seinen Tories auf Stimmenfang.  Ob er die Briten damit überzeugen kann, wird sich weisen.