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Labour-Chef deutet Rücktritt bei Wahlniederlage an. | Umfragen sprechen von Kopf-an-Kopf-Rennen. | London/Wien. Am Donnerstag wählen die Briten ein neues Unterhaus und Premier Gordon Brown hat alles andere als ein gelungenes Wahlkampf-Finish hingelegt: Zuletzt blamierte sich der um jede Stimme werbende Labour-Mann bis auf die Knochen, als er eine Britin - mit der er sich zuvor angeregt unterhalten hatte - als "engstirnig" bezeichnete. | Leitartikel: Britischer Stil | Analyse: Kopf-an-Kopf-Rennen mit ungewissen Folgen | Interview mit Politikwissenschafter Dr. Larcinese | Prominente Hilfe: Filmstars und Wissenschafter für Liberaldemokraten
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Gut hörbar, denn Brown hatte vergessen, dass noch das Mikrofon eines Kamerateams an seinem Anzug steckte. Einer völligen Vernichtung kam es gleich, als die beleidigte Frau meinte, der Premier tue ihr leid. Immerhin haben dieser mehr zu verlieren als sie.
Image-Korrektur dahin
Die von Brown angepeilte Image-Korrektur war auf alle Fälle gescheitert. Der Nachfolger Tony Blairs gilt als unfreundlicher Patron, Mitarbeiter attestieren ihm in aller Öffentlichkeit aufbrausend-cholerische Wesenszüge. Den peinlichen Vorfall mit der "engstirnigen" Witwe hatten viele Briten jedenfalls im Hinterkopf, als Brown wenig später zum dritten und letzten TV-Duell gegen seine Kontrahenten David Cameron von den Tories und Nick Clegg, Chef der Liberalen, antrat. Folgerichtig stieß der Premier beim Publikum auf Ablehnung - auch wenn ihm eine Mehrheit der Briten attestierte, in Wirtschaftsfragen die kompetentesten Antworten parat zu haben.
Die nächsten Rückschläge ließen nicht lange auf sich warten. In Großbritannien ist es Tradition, dass die großen Zeitungen eine Wahlempfehlung abgeben. Das mächtige Massenblatt "Sun" hat sich schon lange von Brown abgewandt, doch auch "The Times", "Financial Times" und "The Economist" sprachen sich für Tory-Chef Cameron aus. Wirklich bitter muss es für Brown gewesen sein, als der linksliberale "Guardian", traditionell auf Labour-Seite, empfahl, diesmal doch dem aus dem Nichts zu nationaler Größe aufsteigenden Liberalen-Chef Nick Clegg das Vertrauen zu schenken.
Der britische Premier wird überdies durch den Umstand geschwächt, dass er parteiintern alles andere als unumstritten ist. Manche Labour-Kandidaten attackieren den Parteichef sogar frontal. So hat etwa Manish Sood, der in Norfolk antritt, Brown als "schlechtesten Premier überhaupt" bezeichnet. "Jeder politische Versuch, den Brown in Angriff nimmt, endet in einem Fiasko", so der Wahlkämpfer. Browns Zentrale gibt unterdessen zu denken, dass sich Sood mit seinen wilden Attacken gute Chancen ausrechnet, beim Wahlvolk zu landen.
Ende einer Ära
Tatsächlich sieht es so aus, als würden die mehr als 40 Millionen wahlberechtigten Briten am 6. Mai das Ende einer 13 Jahre währenden Labour-Vorherrschaft besiegeln. Brown hat bereits angedeutet, im Fall einer Niederlage zurücktreten zu wollen - er werde bei einem Scheitern "die volle Verantwortung" übernehmen. Die Tories um David Cameron liegen laut Umfragen mit einem Vorsprung zwischen 5 und 10 Prozent in Führung, Labour und die Liberaldemokraten liefern sich dahinter ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei die Brown-Partei ziemlich einheitlich bei 28 Prozent gesehen wird. Die Liberalen um Nick Clegg oszillieren zwischen 25 und 29 Prozent. Für Spannung ist schon deshalb gesorgt, weil das britische Wahlrecht der Labour-Party sehr entgegenkommt. Die Sozialdemokraten könnten, auch wenn sie weniger Stimmen als die Tories erhalten, eine Mehrheit der Abgeordneten stellen. Als wahrscheinlich gilt aber, dass diesmal keine der drei großen Parteien eine absolute Mehrheit erringen kann - was einer Vielzahl an Koalitions- und Kooperationsvarianten Tür und Tor öffnet.
Ganz genau wird in Europa beobachtet, wie die rechtsextreme British National Party (BNP) morgen abschneiden wird. Bei der Europawahl im vergangenen Jahr war die BNP jedenfalls höchst erfolgreich und ist jetzt mit zwei Abgeordneten im EU-Parlament vertreten.