Druck auf Deutschland steigt.|Starkes Signal an die Märkte erwartet.
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"Ein entscheidender Gipfel für die Zukunft des Euros" (Le Figaro), "Entscheidende Woche für die Eurozone" (Le Monde), "Die Lösungen für die Rettung der griechischen Schulden… und der Eurozone" (L´Express/L´Expansion): Die französische Presse hat keinen Zweifel, dass der am Donnerstag stattfindende EU-Sondergipfel zur europäischen Schuldenkrise die Weichen für die europäische Währung stellen wird. Nicht nur der Rettungsplan für Griechenland soll abgesegnet werden, überdies will man den Märkten ein deutliches Signal der europäischen Einigkeit vermitteln. In Frankreich steigt der Druck, da durch die Ausweitung der Schuldenkrise die französischen Anleihezinsen zu Wochenbeginn weiter gestiegen sind.
"Jeder –zumindest fast jeder- kann sich betroffen fühlen"
Mit solchen Wörtern drückt die regierungsnahe Tageszeitung Le Figaro den Unterschied zwischen dem geplanten EU-Gipfel und die Treffen, die seit dem Frühjahr 2010 und dem ersten Rettungsplan für Griechenland stattgefunden haben. "Seit 15 Monaten hat jedes europäisches Treffen nur ein Stopfen des aktuellen Finanzlochs ergeben, ohne dem nächsten vorzubeugen", wird im Figaro festgestellt, aber diesmal kann "die Ansteckungsgefahr einen Energieschub zur Lösung des Problems auslösen. Mit Italien hat sich letzte Woche plötzlich die Gefahr im Zentrum des Euro-Raums befunden."
Vergangene Woche sprach die Wirtschaftzeitung La Tribune die nun aktuellen Ängste an: "Die Spannungen auf den Schuldenmärkten sind eine Stufe weiter gestiegen. Frankreich bleibt nicht verschont." Der Abstand zwischen den französischen und den deutschen Anleihezinsen hatten gerade einen Höhepunkt erreicht.
In der Wirtschaftsbeilage der Wochenzeitung L´Express wird sogar der EU-Gipfel als "Treffen der letzten Chance" bezeichnet. "Es geht nämlich darum, nicht nur die finanzielle Rettung Griechenland zu beschließen, sondern auch zu überzeugen, dass sich die Eurozone nicht aufsplittert."
Der Mangel an politischen Willen angezeigt
Zwar wird über die verschiedenen Lösungen diskutiert, aber über den Zweck ist sich die französische Presse einig: Der griechische Staatsbankrott soll unbedingt vermieden werden, auch wenn eine Umschuldung Griechenlands immer mehr im Raum steht. Nach Le Figaro hat das italienische Alarmsignal die Politiker endlich der Realität gegenübergestellt: "Zum ersten Mal haben gerade die Finanzminister der Eurozone zugegeben, was die Märkte und die Experten seit Monaten lauthals behaupten. Griechenland, das in Rezession gestürzt ist und überdies einen Sparhaushalt fahren muss, kann seine Zahlungsverpflichtung nicht mehr erfüllen." Tatsächlich hatte schon am 1. Juli der Ökonom Jean-Pierre Petit seinen Leitartikel in der L´Expansion so betitelt: "Griechische Krise: eine von nun an unvermeidliche Pleite".
Zum Schluss wird ein starkes politisches Signal notwendig sein, um die Märkte zu beruhigen. Was bis jetzt immer noch gefehlt, und daher die europäische Schuldenkrise verschärft hat. "Europa braucht einen Chef" betont Dominique Seux in der Wirtschafts-Referenzzeitung Les Echos. Der Journalist erwähnt die "deutlichen Schwächen des europäischen Regelungssystems" und kritisiert beiläufig das deutsche Verhalten: "In Berlin wird die europäische Debatte geführt, aber die Entscheidungen Angela Merkels werden so viel von innenpolitischen als von europäischen Angelegenheiten bestimmt". Der französische Präsident wolle zwar "die Kanzlerin am Ärmel zupfen", aber "mit Diskretion".
In einem Europa mit zwei Geschwindigkeiten soll sich Merkel davon überzeugen lassen, dass sie mit der Unterstützung Griechenlands auch die deutschen nationalen Interessen verteidigt. "Es ist unseren deutschen Freunden bewusst: Wenn diese Länder (Spanien, Italien) bankrottgehen, dann gehen implodieren auch ihre Banken. Europäische Solidarität kann auch eine gute nationale Politik sein" erklärt der Experte Edouard Tréteau in La Tribune.
"Die Stunde der Wahrheit für die EU"
Tréteau unterstreicht die Bedeutung dieser schweren Zeit für die EU: " Entweder zieht sich jeder zurück und alle werden verlieren; oder wir gehen aus der Krise hervor mit einer gemeinsamen Haushalts-, Steuer- und daher politischen Union."
Diese Analyse wird auch vom Experten Christian Saint-Etienne geteilt. In der TV-Sendung "C dans l´air" schloss er nicht die Entstehung zwei verschiedenen Währungsräume in Europa aus. Das wesentliche Problem Europas sei der Mangel einer einheitlichen Wirtschaftsregierung nach dem Modell der Vereinigten Staaten. Die Union bestehe aus zwei Wirtschaftsmodellen. Einerseits Deutschland und seine sogenannten Satelliten (Österreich und die Niederlande), die in den Jahren 1997 bis 1999 starke strukturelle Reformen durchgeführt haben; andererseits Frankreich, Italien und Spanien, die sich für ein auf inneren Konsum beruhendes Wirtschaftsmodell entschieden haben. Zehn Jahre später treten immer mehr die Spaltungen hervor und jetzt komme die Zeit der Entscheidung nach mehr oder weniger Europa. Entweder werden die "Vereinigten Staaten Europas" mit einem einheitlichen Bundeshaushalt gegründet, oder Europa werde sich in zwei Teile spalten. Als wichtigster Zahler werde natürlich Deutschland das letzte Wort haben.
Spannung auf die deutsche Reaktion
Dieser Rolle ist sich die Bundesrepublik bewusst. Nach einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Dimitri Medwedjew bei den deutsch-russischen Konsultationen in Hannover hat Angela Merkel am Dienstag festgehalten, dass sie sich dem Druck nicht beugen werde. Zwar wolle sie sich bemühen, den Euro, "Teil des wirtschaftlichen Erfolges Deutschlands", zu schützen. Aber man solle nicht zu schnell von einer Umschuldung, Transferunion oder Eurobonds sprechen: "Es ist menschlich, dass man sich so etwas wünscht. Aber ich werde dem so nicht nachgeben" betonte die deutsche Kanzlerin.
Zudem sollen die aktuellen hohen Erwartungen nicht glauben lassen, das Thema Griechenland werde am Donnerstag endlich gelöst. "Dazu dient der Donnerstagsgipfel einmal mehr, aber dazu werden noch weitere Schritte notwendig sein, und nicht ein spektakuläres Ereignis, bei dem alle Probleme gelöst sind", sagte die Bundeskanzlerin.