Dem Wahldebakel folgen bei der CSU vorerst keine personellen Konsequenzen.
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München/Wien. Das schlechteste Ergebnis für die CSU bei einer Landtagswahl seit 1950 war amtlich, da beeilte sich Ministerpräsident Markus Söder sogleich, bloß keine Diskussion an seiner Person aufkommen zu lassen. Der Parteivorstand nominierte den 51-Jährigen einstimmig für den Verbleib im Amt. Söder weiß auch die Landtagsfraktion hinter sich, und das trotz minus zehn Prozentpunkten und dem Verlust der absoluten Mandatsmehrheit. Im Gegensatz dazu kämpft Parteichef Horst Seehofer weitgehend alleine. "Ich führe auch heute keine Personaldiskussion über mich", richtete er aus. Seehofers Nachsatz, er stehe für jede Debatte zur Verfügung, war jedoch kein ernsthaftes Angebot.
Gesprächsbedarf gäbe es jede Menge. Dann aber droht sogleich Streit - waren doch die Querelen der CSU mit Kanzlerin Angela Merkel hauptverantwortlich für das Wahldesaster. Diese werden in der CSU vor allem Seehofer angelastet, obwohl auch Söder im Grenzstreit mit Merkel im Sommer die Kanzlerin attackierte. Mit der Bürde von nur 37,2 Prozent kann aber Söder schwerlich an Seehofers Sessel sägen. Noch dazu ist der Parteichef bis Herbst 2019 gewählt. Eine personelle Alternative bietet sich nicht an: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist zwar inhaltlich der perfekte Kompromisskandidat, aber ebenso Franke wie Söder. Der mächtige oberbayerische Verband wird eine solche Lösung nicht akzeptieren. Deren Vorsitzende, Ilse Aigner, demontierte Söder einst erfolgreich. Und Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Bundestagsfraktion, ist intern zu schwach.
Für Peter Ramsauer, der von 2005 bis 2009 Dobrindts Amt innehatte, ist dennoch "völlig klar", dass "bei so dramatischen, katastrophalen Verlusten für eine Partei automatisch eine Führungsdebatte einsetzt". Er rät Söder zuzugreifen, "wenn sich diese Situation stellen sollte". Die erste Aufgabe des Ministerpräsidenten ist nun aber, eine tragfähige Regierung in Bayern auf die Beine zu stellen. Dafür gibt die Verfassung nur vier Wochen Zeit. Noch dazu hat Söder bisher bundespolitische Ambitionen vermissen lassen.
Fällt Seehofer als Vorsitzender, ist er auch als Innenminister im Bund Geschichte. Ohne Rückendeckung aus der CSU gibt es für Merkel keinen Grund mehr, ihren renitenten Minister zu behalten. Sie wird aber sicher nicht das Geschäft der CSU besorgen und Seehofer entlassen, solange der Parteivorsitzender ist. Das wäre der schönste Abgang für den 69-Jährigen: sich zum Opfer der Berliner Politik stilisieren zu können.
Gegenmodell muss greifen
Dabei reicht der Unmut weit über das Kanzleramt hinaus. "Die CSU-Führung hat in den vergangenen Jahren zur Gänze Fehler gemacht: Horst Seehofer, Markus Söder, Alexander Dobrindt - da darf man niemanden ausnehmen", richtete Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in der "Welt" der Schwesterpartei aus.
Die Angst geht um, dass der Ärger der Wähler auch bei der hessischen Landtagswahl in knapp zwei Wochen durchschlägt. "Hessen ist anders", betonte CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier. Dort werde "ohne Streit sehr professionell" gearbeitet, assistierte die Generalsekretärin der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Partei demonstriert Geschlossenheit, um noch die Wende zu schaffen. Gelingt das nicht, brennt der Hut. In Hessen liegt die CDU laut letztverfügbarer Umfrage, die allerdings zwei Wochen alt ist, bei 29 Prozent; neun Prozentpunkte hinter dem Wahlergebnis 2013. Trotz Gewinnen für die Grünen wäre das zu wenig für Schwarz-Grün II.
Hessen ist der letzte Landtag, in dem die AfD noch nicht vertreten ist. Sie wird nun wohl mehr als zehn Prozent erreichen. Verliert die CDU auch in Hessen deutlich, droht Merkel ein ungemütlicher Parteitag im Dezember. Drei - chancenlose - Gegenkandidaten für den Parteivorsitz gibt es bereits. Alleine ihr Antreten zeigt Merkels Autoritätsverfall.
Die Kanzlerin gab sich nach der Bayernwahl selbstkritisch - wie schon nach der Posse um die Versetzung des Geheimdienst-Chefs Hans-Georg Maaßen im September. Sie müsse stärker dafür sorgen, dass die Bürger Vertrauen in die große Koalition haben. Die Resultate von Schwarz-Rot müssten sichtbarer werden.
Merkel muss sich nicht nur um Einigkeit unter der Konservativen kümmern, sondern auch achtgeben, dass ihr der Koalitionspartner nicht abhandenkommt. Als Kollateralschaden des Streits zwischen Merkel und der CSU verloren die Sozialdemokraten in Bayern die Hälfte ihrer Wähler. SPD-Chefin Andrea Nahles spielt auf Zeit, erst Anfang November analysieren Präsidium und Parteivorstand das Wahlergebnis. Eine Entscheidung über den Verbleib in der Koalition werde in den kommenden Monaten getroffen. Das trifft sich mit dem Zeitplan der Parteilinken. Sie will "spätestens" zur Halbzeit von Schwarz-Rot im Sommer 2019 bilanzieren, ob der Koalitionsvertrag ausreichend umgesetzt wurde. An umgesetzten Projekten mangelt es der Regierung nicht. Sie gehen aber im Dauerstreit unter, der Schwarz und Rot noch vor dem Sommer in den Abgrund zu reißen droht.