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Brüchiger Aufschwung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommission lobt wirtschaftliche Fortschritte der Mitgliedstaaten, fordert aber weiterhin Budgetdisziplin.


Brüssel. Es geschehen lassen, es erreichen: Unter dieses Motto stellte die EU-Kommission die Präsentation ihrer wirtschaftlichen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten. Erreicht konnte immerhin werden, dass sich die Gemeinschaft ökonomisch etwas erholt hat. Der Stand der öffentlichen Finanzen sei wesentlich besser als noch vor wenigen Jahren, und auch die Märkte hätten sich stabilisiert, stellte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso fest.

Doch ist es mehr, als es nur geschehen lassen. Die Brüsseler Behörde weist darauf hin, dass der Druck auf die Länder, sich in mehr Haushaltsdisziplin zu üben und dies im Rahmen des so genannten europäischen Semesters zu überprüfen, durchaus seine Wirkung gezeigt hatte. Die Budgetlage in den meisten Staaten habe sich verbessert, ein Drittel der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sei umgesetzt worden. Und überstieg das durchschnittliche Budgetdefizit in der EU vor vier Jahren noch sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts, liege es nun bei rund 2,5 Prozent. Nach den EU-Regeln darf die Neuverschuldung höchstens bei drei Prozent liegen.

Gesunken ist auch die Zahl jener Länder, die mit einem Strafverfahren wegen eines zu hohen Defizits konfrontiert sind. Im Jahr 2011 war es noch so gut wie alle: 24 Mitglieder. Bis vor kurzem waren es 17, und sollten die Finanzminister den Empfehlungen der Kommission folgen, werden es bald elf. Denn die Behörde schlägt vor, die Verfahren gegen Österreich, Belgien, Tschechien, Dänemark, die Niederlande und die Slowakei einzustellen. Doch auch die übrigen Staaten haben derzeit keine Sanktionen zu befürchten. Diese können für Euroländer bis hin zu Geldstrafen führen, die sogar 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen können. Die Kommission hat allerdings derzeit nicht vor, Sanktionen zu verhängen.

Allerdings, musste Barroso einschränken, sei der Aufschwung noch sehr brüchig. Und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hätte noch nicht die erwünschten Resultate erbracht. In der Union ist mehr als jeder zehnte Bürger ohne Job.

Maßnahmen dagegen müssten denn auch Priorität haben, betonte der Kommissionspräsident. Dreizehn Länder müssten ihre Bemühungen dazu verstärken, vor allem um Menschen beim Einstieg und bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Acht Staaten hätten zusätzliche Anstrengungen bei der Umsetzung der Jugendgarantie zu unternehmen. Doch ebenso müssten die Mitglieder versuchen, Investitionen zu stärken sowie sich den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft - und damit Änderungen in den Pensions- und Sozialsystemen - stellen.

Soziale Ungleichgewichte

Es gehe jedoch nicht nur um fiskalpolitische Aufgaben, fügte Sozialkommissar Laszlo Andor hinzu. Die Union müsste ebenfalls daran arbeiten, soziale Ungleichgewichte zu verringern, die sich in den vergangenen Jahren gerade unter den Mitgliedern des Euroraumes vergrößert haben. Fast ein Viertel der EU-Bevölkerung sei von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Die Steuersysteme seien ebenfalls verbesserungswürdig. Zum einen könnten die Länder effektiver gegen Steuerbetrug und -vermeidung vorgehen. Zum anderen müsste die Steuerbelastung für Arbeit sinken. Etliche Länder hätten es nämlich bevorzugt, Abgaben zu erhöhen denn Ausgaben zu senken - das aber könne das ökonomische Wachstum beeinträchtigen. Statt aber Arbeit zusätzlich zu belasten, sollten die Steuern auf Bereiche wie Umweltverschmutzung oder Eigentum gelenkt werden.

Die größten Volkswirtschaften der Union hätten jedenfalls aus Sicht der Kommission - trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre - noch Reformbedarf. Deutschland beispielsweise, ein Land mit hohen Überschüssen, sollte die Binnennachfrage verstärken, erklärte Währungskommissar Olli Rehn. Frankreich forderte er auf, die angekündigten Reformen umzusetzen, vor allem zur Förderung von Investitionen und zur Schaffung von Jobs. Das sei dort jedoch nicht mit weiteren Steuererhöhungen zu erreichen. Italien mit seiner hohen Staatsverschuldung sollte wiederum sein Steuersystem effizienter gestalten.

Von den Bemühungen zu Budgetdisziplin sollte aber kein Land ablassen. Ohne das sei finanzielle Stabilität nicht möglich, betonte Barroso.