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Bruchlandung eines Hoffnungsträgers

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Mit dem Suchoi Superjet-100 wollte Russlands Luftfahrtindustrie zum Westen aufschließen. Nun gibt es 41 Tote.


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Moskau. Die Hoffnungen liegen nun auf den beiden Flugschreibern, die am Montag aus dem Wrack der verunglückten Maschine geborgen werden konnten. Sie sollen den russischen Flugunfallermittlern helfen, die Ursachen für den folgenschweren Brand an Bord eines Suchoi Superjet-100 zu ergründen, der am Sonntag 41 Tote gefordert hat.

Vorerst geht die Fluggesellschaft Aeroflot davon aus, dass ein Technikfehler den Piloten der Maschine dazu gezwungen hatte, den Flug nach Murmansk im Norden Russlands nach 45 Minuten abzubrechen und zum Moskauer Flughafen Scheremetjewo zurückzukehren. Bei der Notlandung, bei der das Flugzeug mehrmals auf dem Rollfeld aufprallte, platzte dann nach ersten Ermittlungen der voll befüllte Tank, der hintere Teil der Maschine ging wenige Sekunden später in Flammen auf. Während die Passagiere im vorderen Teil der Maschine noch gerettet werden konnten, kam für diejenigen, die ihren Sitzplatz im Heckbereich des mit 73 Fluggäste und 5 Crewmitgliedern besetzten Flugzeugs hatten, jede Hilfe zu spät.

Ob ein technischer Defekt für das Unglück verantwortlich war oder ein Blitzeinschlag, den einige Passagiere gesehen haben wollen, wird erst in einigen Tagen klar sein, wenn die Flugunfallermittler ihren ersten Zwischenbericht vorlegen. Schon jetzt steht allerdings fest, dass es mit dem Suchoi Superjet-100 einen Flugzeugtyp getroffen hat, dessen Entwicklung und Betrieb bisher unter keinem guten Stern gestanden ist. So konnte die Maschine auf Grund von finanziellen und technischen Problemen nicht nur deutlich später zugelassen und ausgeliefert werden als ursprünglich von Suchoi geplant. Seit der Indienststellung im Jahr 2011 kam es auch immer wieder zu Pannen, behördlich angeordneten Startverboten und teils auch folgenschweren Zwischenfällen. So prallte ein Superjet im März 2012 bei einem Demonstrationsflug in Indonesien gegen einen Vulkan. Dabei starben alle 45 Insassen.

Wenig Interesse am Superjet

Dabei sollte der Superjet eigentlich ein Befreiungsschlag für die russische Luftfahrtindustrie werden, die zwar bei Kampfjets international in der ersten Liga spielt, im zivilen Bereich seit dem Ende des Kalten Krieges aber verzweifelt Anschluss an die westlichen Hersteller sucht. Die zweistrahlige Maschine, die je nach Version 78 bis 98 Passagieren Platz bietet und eine maximale Reichweite von 4500 Kilometern hat, sollte vor allem dem kanadischen Flugzeugbauer Bombardier und der brasilianischen Firma Embraer Konkurrenz machen, die mit ihren Maschinen primär den Markt für kleinere Regionalflugzeuge bedienen.

Doch bisher wurde das erste Zivilflugzeug, das Russland seit dem Ende der Sowjetunion neu entwickelt hat, vor allem von der staatlichen russischen Aeroflot und kleineren Fluglinien aus ehemaligen Sowjet-Ländern gekauft. Im Westen entschieden sich dagegen nur die irische Cityjet und die mexikanische Interjet für den Superjet-100. In Kombination mit Lieferschwierigkeiten bei Triebwerken führte die geringere Nachfrage im Vorjahr dazu, dass nur 26 Flugzeuge die Suchoi-Werkshallen in Komsomolsk verließen. Und zumindest im Ausland wird es nach dem Vorfall am Moskauer Flughafen nun wohl noch deutlich schwerer werden, Kunden für den Superjet zu finden.

Ein Problem für die MC-21

Die Notlandung mit 41 Toten dürfte aber nicht nur für Suchoi zum Problem werden, sondern auch für die nach vielen Verzögerungen nun für 2021 geplanten Markteinführung der Irkut MC-21. Mit der für 150 bis 200 Passagiere ausgelegten Maschine will Russland in einen Markt vorstoßen, den Airbus und Boeing mit ihren Mittelstreckenjets A320 und 737 beherrschen. Doch ähnliche wie beim Superjet-100 hält sich die Nachfrage aus dem Ausland derzeit in engen Grenzen. So haben bisher erst drei nicht aus Russland stammende Fluglinien ernsthaft Interesse bekundet.