Bundespräsident Heinz Fischer reist als erstes EU-Staatsoberhaupt seit 2004 in die Islamische Republik.
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Wien/Teheran. Die Diplomatie hat am Ende gesiegt. Knapp zwei Monate nach der historischen Einigung im Atomstreit, die nun implementiert werden muss (der Iran fährt sein Atomprogramm zurück, gewährt der Internationalen Atomenergiebehörde Zugang zu den Anlagen und die internationale Staatengemeinschaft hebt die Sanktionen auf), fliegt der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer als erstes EU-Staatsoberhaupt seit 2004 samt einer riesigen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlich-kulturellen Delegation in den schiitischen Golfstaat.
Neben Außenminister Sebastian Kurz, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP) und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl reist auch der Präsident der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft Werner Fasslabend mit (siehe Interview).
Im Iran unterscheidet man zwischen der EU und Österreich. Die Alpenrepublik genießt einen Sonderstatus und ist äußerst beliebt, nicht nur wegen Mozart und Sachertorte. Das hat einerseits damit zu tun, dass man seit mehr als 150 Jahren ausgezeichnete diplomatische bilaterale Beziehungen unterhält, und andererseits damit, dass Österreich als Brückenbauer und neutraler Mediator in Konflikten im Nahen Osten - Stichwort Kreisky-Arafat - gesehen und geschätzt wird. Selbst in den schwierigen Jahren von 2005 bis 2013, in denen die Islamische Republik wegen des "no fear"-Kurses des Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad international isoliert war, rissen die Kontakte zu Österreich nicht ab.
Zudem hat Österreich das einzige EU-Kulturforum in Teheran, das seit 1979 durchgehend betrieben wird. Nahezu jährlich wurden in den letzten beiden Jahrzehnten iranische Außenminister hierzulande empfangen. Auch während der Eiszeit im Atomstreit war Wien immer wieder ein Ort des Dialogs. So ist es auch kein Zufall, dass Außenminister Sebastian Kurz die finale Runde abermals nach Österreich holte, die Schweiz ausbootete und das Abkommen zwischen fünf UN-Vetomächten (Frankreich, USA, China, Russland und Großbritannien) plus Deutschland in Österreich signiert wurde.
Wichtigste Basis für den Besuch ist eine Neuausrichtung der iranischen Außen- und Atompolitik seit Sommer 2013: Damals gewann der als moderat geltende Hassan Rohani die Präsidentenwahlen im Iran. Als 7. Präsident versprach er, den Atomstreit im Dialog mit der internationalen Staatengemeinschaft zu lösen. Der Weg bis dahin war steinig: Unter Ahmadinejad wurde die Urananreicherung, die 2004 unter seinem moderaten Vorgänger Mohammad Khatami kurzfristig ausgesetzt worden war, wieder voll aufgenommen. Der Atomstreit eskalierte. Der UN-Sicherheitsrat verhängte Sanktionen, Teheran fuhr die Uran-Anreicherung auf 20 Prozent hoch. Atomverhandlungen mit den 5+1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) blieben ergebnislos. All das ist vergessen. Ein neues Kapitel soll mit dem Fischer-Besuch beginnen. Neben Fischer wollen in den kommenden Monaten auch andere EU-Staatschefs in den Iran reisen. Präsident Rohani wird seine EU-Reise als Präsident im November in Frankreich absolvieren. Neben Frankreich haben ihn aber auch andere EU-Länder eingeladen.
Zurück zu Österreich: Durch die guten Beziehungen hofft Österreichs Wirtschaft nach der Implementierung des Deals und der Lockerung der Sanktionen darauf, ein Stück am wirtschaftlichen Iran-Kuchen mitnaschen zu dürfen. Dreimal wurde die Iran-Reise Fischers verschoben, nach dem Atom-Deal kann der historische Besuch, der von 7. bis 9. September dauert, schließlich stattfinden. Neben Teheran wird das österreichische Staatsoberhaupt auch die idyllische Stadt Isfahan besuchen. Fischer wird neben dem Obersten Geistlichen Führer Ayatollah Seyed Ali Khamenei und Präsident Hassan Rohani auch den mächtigen Chef des Schlichtungsrates Ayatollah Akbar Hashemi-Rafsanjani sowie die Larijani-Brüder Sadegh (Justizchef) und Ali (Parlamentspräsident) treffen.
Bereits Fischers Vorgänger Rudolf Kirchschläger, Thomas Klestil und Kurt Waldheim besuchten den Iran. 1991 reiste Waldheim als erstes westliches Staatsoberhaupt seit der Islamischen Revolution 1979 den Iran. Nach dem EU-Beitritt Österreichs (1995) reiste Klestil im September 1999 als erster Präsident eines EU-Landes zu einem Arbeitsbesuch in die Islamische Republik. Im Jänner 2004 kam er dann zu einem Staatsbesuch nach Teheran.
Auch Khatami besuchte mehrmals Österreich. Als iranischer Präsident traf er im März 2002 und im April 2005 in Wien mit den Bundespräsidenten Klestil und Fischer zusammen.
Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Khatami setzten sich verstärkt für den "Dialog der Kulturen" ein. Gegenüber Fischer betonte Khatami damals, dass sein Land Atomtechnologie nur zu friedlichen Zwecken nutzen wolle. Im November 2005 nahm er - bereits als ehemaliger Präsident - an einer hochrangig besetzten Islam-Konferenz in Wien teil.
Die rege Besuchsdiplomatie zwischen dem Iran und Österreich wurde und wird nicht überall begrüßt. Nicht zuletzt wegen der Menschenrechtslage im Iran gab es von verschiedener Seite Kritik. Israel ist weder über den Besuch noch über den Atom-Deal erfreut. Fischer verteidigt seine Reise in den Iran. Es gelte, das "positive Momentum" der Deals zu nutzen und zu versuchen, in "mäßigender, konstruktiver" Weise Einfluss zu nehmen, sagte Fischer vor Journalisten. In Teheran wolle er auch in "ruhiger, aber klarer Sprache" die Themen Menschenrechte und Todesstrafe ansprechen.
Israels Premier Benjamin Netanjahu habe bei seiner Kritik am Atom-Deal wenig überzeugende Argumente vorgebracht, was nach einem Scheitern der Atomverhandlungen geschehen solle, sagte der Bundespräsident. "Sollte etwa Waffengewalt angewendet werden?", fragte er. "Es ist eine alte politische Erfahrung: Wer isoliert ist, denkt und reagiert anders", betonte Fischer in Hinblick auf die israelische Forderung, den Sanktionsdruck auf den Iran noch weiter zu verstärken.