Großbritannien sichert Frankreich finanzielle Unterstützung im Vorgehen gegen illegale Einwanderung zu.
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London. Bloß keine unüberbrückbare Kluft zwischen Insel und Kontinent, sobald Großbritannien nächstes Jahr aus der EU ausgetreten ist: Bei der ersten England-Visite seit Beginn seiner Amtszeit hat Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zusammen mit Premierministerin Theresa May die bilateralen Bande zwischen London und Paris zu stärken gesucht. Der Brexit überschattete freilich alle "Entente-Cordiale"-Initiativen des Gipfeltreffens gestern, Donnerstag. Britische Fernseh-Reporter zitierten einen am Treffen beteiligten May-Minister mit der Überzeugung, die Franzosen stellten "die größte Herausforderung" für sein Land bei den Brüsseler Brexit-Verhandlungen dar.
Macron bekräftigte denn auch seine Ansicht, dass London sich keine Hoffnungen machen dürfe auf vollen Zugang zum gemeinsamen Markt, solange es dessen Regeln nicht akzeptiere und keinen finanziellen Beitrag mehr leisten wolle. Von "Strafe oder Belohnung" könne in diesem Zusammenhang keine Rede sein.
May wiederum hielt an ihrer Überzeugung fest, dass es im Interesse beider Seiten liege, wenn ein "spezielles und tiefes Verhältnis" mit der EU ausgehandelt werde, das den Finanzbereich ebenso abdecke wie den Handel mit Gütern.
Den beharrlichen Meinungsunterschied suchten beide Seiten ansonsten aber nach Kräften zu überspielen. May bot sich Paris und der EU als "verlässlicher Partner" an. Macron betonte, Brexit werde der engen Kooperation mit Großbritannien keinen Abbruch tun: "Ich respektiere diese Entscheidung, auch wenn ich sie bedauere."
Bei ihrer Zusammenkunft gelobten die Führungen der beiden einzigen europäischen Staaten, die über Atomwaffen und permanente Sitze im UN-Sicherheitsrat verfügen, im Militärbereich noch enger als bisher zusammen zu arbeiten. Zum Austragungsort des eintägigen Treffens wurde, um solche Verbundenheit zu unterstreichen, die Königliche Militärakademie Sandhurst bestimmt.
Briten und Franzosen entwickeln bereits gemeinsam neue Drohnen-Technologien. Sie kündigten außerdem die Gründung eines britisch-französischen "Verteidigungs-Rates" und mehr gemeinsame Militäreinsätze an. So will London bald drei Chinook-Transport-Hubschrauber nach Mali schicken, um dort französische Soldaten zu unterstützen. Paris verstärkt seinerseits mit eigenen Truppen eine britische Einheit in Estland. Auch Unterstützung für Macrons "Europäische Interventions-Initiative" sicherte die Gastgeberin ihrem Gast zu.
Die Zusammenarbeit britischer und französischer Geheimdienste, vor allem der Informationsaustausch über Terror-Komplotte, soll ebenfalls weiter intensiviert werden - wiewohl der mit Abstand wichtigste Secret-Service-Partner der Briten Washington bleibt.
Neues Grenzabkommen
Eine spezielle neue Vereinbarung trafen May und Macron außerdem zur vorgeschobenen britischen Grenzkontroll-Stelle in Calais. Noch als Wirtschaftsminister hatte Macron gedroht, im Brexit-Falle werde Frankreich die britische Grenze zurück nach Dover verlegen. Nun aber, als Präsident, ist er von der Drohung abgerückt.
London soll jedoch zusätzlich zu den 130 Millionen Pfund, die es in den letzten vier Jahren zum Vorgehen gegen illegale Migration auf der französischen Seite des Kanals bereits beisteuerte, erneut 45 Millionen Pfund (rund 50 Millionen Euro) an Paris überweisen. Mit diesem Geld sollen weitere Zäune und Mauern gebaut sowie Überwachungskameras und Infrarot-Anlagen installiert und betrieben werden.
Darüber hinaus versprach Regierungschefin May, das Einreise-Verfahren für "legitime Asylbewerber" zu beschleunigen und vor allem mehr Kinder aufzunehmen. Obwohl das "Dschungel" genannte Elendslager in Calais vor mehr als einem Jahr aufgelöst wurde, wird die Zahl der erneut dort versammelten Flüchtlinge schon wieder auf mehr als 700 Menschen geschätzt. Ein Zehntel davon sollen Minderjährige ohne Familienanschluss oder sonstige Begleiter sein.
Die Kooperation am Ärmelkanal hat allerdings starken Unmut in Mays eigener konservativer Partei ausgelöst - vor allem unter Brexit-Hardlinern. Der Tory-Abgeordnete für Dover, Charlie Elphicke, fand, dass "die Leute sich zu Recht fragen, warum wir Frankreich immer von neuem Geld zuschieben".