Urabstimmung über neuen Chef. | David oder Ed Miliband bestimmen künftigen Kurs. | London (dpa) Wenn am Samstag in Manchester der neue Vorsitzende der britischen Labour-Partei verkündet wird, dann ist der Name so gut wie sicher: Miliband. Ob aber der jüngere und linkere Ed oder der erfahrenere und moderatere David die verstaubte Traditionspartei in das Zeitalter von "Next Labour" führen wird, darüber wollen nicht einmal die Wahlforscher ein Urteil abgeben. "Zu knapp für eine Vorhersage", heißt es bei den Meinungsforschern. Immerhin legen sich wenigstens die Buchmacher in den Londoner Wettbüros mit knappem Vorsprung auf David als Sieger fest.
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Drei Wochen hatte die Basis Zeit zur Stimmabgabe. Am Freitag, als die Wahlurnen bereits geschlossen waren, kamen vorsichtige Signale, dass die Stimmung gekippt sein könnte. Aus dem Lager des Favoriten wurde verlautet, David (45) sei auch bereit, in einem Kabinett mitzuarbeiten, das sein jüngerer Bruder Ed (40) führt. Diese Selbstverpflichtung hatte es bisher nur andersherum gegeben.
Drei Millionen Menschen hatten in drei Gruppen abgestimmt: Labour-Abgeordnete, Labour-Mitglieder und Mitglieder der Partei nahestehender Gruppierungen, vor allem Gewerkschaften. Die Wähler geben aber nicht die Stimme für einen Kandidaten ab, sondern geben jedem der fünf Bewerber eine Platzierung. In einem komplizierten Zählverfahren wird daraus der Sieger ermittelt.
Die ideologisch-programmatische Trennlinie zwischen den Brüdern war für die Wähler dabei aber nicht so einfach festzustellen. Während David versuchte, mit wenig inhaltlichen Festlegungen eine möglichst breite Wählerschaft anzusprechen, legte Ed den Schwerpunkt auf linksliberale Anliegen wie Bürgerrechte und den Kampf gegen den Klimawandel.
Ed Miliband, früher Energieminister, geht allerdings selbst davon aus, dass er bei den Erstnennungen seinem großen Bruder, dem früheren Außenminister, nicht ganz das Wasser reichen kann. Zwar ist der Weggefährte von Tony Blair als Vertreter des verblassten, wirtschaftsnahen Kurses von "New Labour" angezählt. Schließlich wurde Labour in der Bankenkrise schon als Partei der Banker-Boni verspottet. Doch hat er die Rückendeckung der meisten Labour-Schwergewichte. Und selbst seine parteiinternen Kritiker räumen ein, David Miliband sei einer der wenigen bei Labour mit der Statur einer echten Führungsfigur.
Das umständliche Wahlsystem könnte allerdings seinem Bruder zu Gute kommen. Die meisten der drei aussichtslosen Mitbewerber kommen wie Ed Miliband eher aus der Gewerkschaftsecke. Liegen die beiden Brüder bei den Erstnennungen nicht zu weit auseinander, könnte Ed über die Zweit- oder Drittpräferenzen das Rennen machen. Für Tony Blair, Erfinder von "New Labour", wäre das "eine Katastrophe". Er befürchtet dann einen Linksruck und die Rückbesinnung auf alte Ziele der Arbeiterbewegung.