Plus 3,6 Prozent für die Stahlbranche gelten als Vorbild. | Binnenkonsum soll gestärkt werden. | Berlin. "Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich": Mit diesem Satz überraschte kurz vor der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Seine Partei, die Liberalen, sind für eine solche Einstellung bisher nicht bekannt. "Der Abschluss in der Stahlbranche hat gezeigt, dass ein fairer Ausgleich möglich ist, an dem sich vielleicht andere Branchen orientieren könnten", sagte Brüderle nun. Mit Oktober erhalten die Beschäftigten in der Stahlindustrie 3,6 Prozent mehr Lohn.
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Immer wieder war Deutschland wegen seiner Lohnpolitik kritisiert worden. Die Ökonomen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik etwa erklärten im Herbst 2008 die Finanzkrise nicht zur alleinigen Ursache des Einbruchs. Die vorangegangenen schönen Wirtschaftsdaten Deutschlands beurteilten sie als trügerisch und gefährlich: Denn das Bruttoinlandsprodukt -- gestützt vom Export -- war in die Höhe geschossen, während die Konsumzahlen stagnierten. Selbst IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn forderte im Frühjahr, dass Deutschland stärker auf den Konsum im Land achten müsse.
"Das ist natürlich etwas, was Buchstabe für Buchstabe die Bundeskanzlerin ganz genauso sieht", kommentierte am Freitag der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Erklärung von Brüderle - es herrscht also Einigkeit in den Reihen der Koalitionspartner. Weder Merkel noch Brüderle aber wollten sich offiziell in die Arbeit der Tarifpartner einmischen.
Arbeitsmarkt erholt sich
"Das ist auch richtig", sagt Gustav Horn, Ökonom vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie zur "Wiener Zeitung". Kollektivvertragsverhandlungen würden aber nicht "im luftleeren Raum stattfinden". Deshalb gäben die Aussagen der Arbeitnehmerseite Rückenwind. "Ein Absturz durch Arbeitslosigkeit ist damit aber nicht gebannt." Die SPD forderte erneut Mindestlöhne in allen Branchen. So soll die Kaufkraft gestärkt werden.
Der deutsche Arbeitsmarkt erholt sich besser als erwartet - Bundesagentur für Arbeit rechnet nun mit einem geringeren Defizit als bisher angenommen: 9,8 Milliarden Euro anstelle von 20 Milliarden Euro. Auch war man Ende 2009 noch davon ausgegangen, dass man 16 Milliarden Euro an Zuschuss aus dem Budget benötigt. Tatsächlich werden es wohl 6,9 Milliarden Euro sein - auch, weil die Zahl der Betriebe in Kurzarbeit sinkt.