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Bruderzwist eskaliert: Lukaschenko provoziert Moskau

Von WZ-Korrespondent Christian Weisflog

Politik

Weißrussland wird russische Güter stärker kontrollieren. | Moskau. Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko denkt nicht daran, im Streit mit Moskau klein bei zu geben: Zuletzt ordnete der ehemalige Sowchose-Direktor an den wichtigsten Grenzübergängen zu Russland "verschärfte Güterkontrollen" an. Im Gegensatz zu Moskau hatte Minsk bisher auf solche Maßnahmen verzichtet.


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Offiziell begründeten die weißrussischen Behörden den Schritt damit, dass viele russische Importwaren am weißrussischen Fiskus vorbeigeschmuggelt würden. Etwa 20 Prozent des eingeführten Biers gelangten auf dunklen Kanälen auf den weißrussischen Markt, wodurch dem Staat Gelder in Milliardenhöhe entgingen, hieß es gestern in Minsk.

Faktisch handelt es sich jedoch um eine direkte Reaktion auf das russische Einfuhrverbot für Milchprodukte aus Weißrussland. Moskau begründete dieses Vorgehen vor Wochenfrist damit, dass die stark subventionierten Landwirtschaftserzeugnisse aus "Belarus" den Absatz der russischen Bauern gefährden würden. In Wahrheit scheint die Regierung in Moskau jedoch im Interesse russischer Unternehmer zu handeln, welche sich die weißrussische Trockenmilchproduktion unter den Nagel reißen möchten.

Einen Hinweis darauf geben die Aussagen der russischen Landwirtschaftsministerin Elena Skrynnik. Sie hatte am Montag bereits voreilig einen Kompromiss verkündet, wonach Weißrussland für ein halbes Jahr auf den Export von Trockenmilch verzichten würde. Kurzfristig wolle man den Import senken, in einem zweiten Schritt aber "sollen die großen russischen Milchverarbeiter die Fabriken in Weißrussland übernehmen", erklärte Skrynnik unverblümt.

Kreml verlangt Gehorsam

Wohin der slawische Bruderzwist noch führt, wird sich zeigen müssen. Russland versucht aber offenbar, mit kruden Mitteln Profit aus der äußerst prekären wirtschaftlichen Lage zu schlagen, in der sich sein kleiner Nachbar derzeit befindet. Beobachter prophezeien Weißrussland dieses Jahr ein Budgetdefizit von 50 Prozent. Moskau hat Minsk deshalb bereits einen günstigen Notkredit von zwei Milliarden Dollar gewährt. Der Kreml verlangt von Lukaschenko im Gegenzug jedoch politischen Gehorsam. Der weißrussische Präsident beklagte sich vergangene Woche, dass Russland ihn dazu dränge, die abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien anzuerkennen. Doch er "verkaufe keine Positionen", betonte Lukaschenko. Am vergangenen Samstag spielte der 54-jährige Staatschef gegenüber Moskau einen weiteren Trumpf aus und blieb einem Gipfeltreffen der "Organisation für kollektive Sicherheit" fern. Es handelt sich dabei um einen Verbund von sechs GUS-Ländern, die Moskau gerne zu einer Verteidigungsallianz zusammenschmieden möchte.

Lukaschenko provozierte Moskau zudem mit Avancen gegenüber dem Westen. Er entließ Oppositionspolitiker aus der Haft, besuchte den Papst in Rom und führte sein Land in die "Östliche Partnerschaft" der EU.