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Brummende Meister der Flugökonomie

Von Heiner Boberski

Wissen

Optimierungsproblem, über das Mathematiker seit Jahrzehnten rätseln, wird von Hummeln gelöst. | Auf kürzestem Weg durch die Blütenpracht.


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Wien/London. Geiger wetteifern darin, wer den „Hummelflug” von Nikolai Rimski-Korsakow in der kürzesten Zeit fehlerfrei spielen kann. Die brummenden Vorbilder dieser Komposition wiederum besitzen die erstaunliche Fähigkeit, für ihre Flüge die kürzeste Route zu finden. Das konnte in jüngster Zeit ein britisches Forscherteam experimentell nachweisen.

Die Hummeln (Bombus terrestris) bilden eine eigene, zu den Bienen gehörende Gattung sozial lebender Insekten. Wegen ihres in Relation zur Flügelgröße sehr hohen Gewichtes war es Experten der Aerodynamik lange unerklärlich, warum eine Hummel überhaupt fliegen kann. Erst in den 1960er Jahren fand der britische Biologe Charles Ellington heraus, wie Hummeln genug Auftrieb erzeugen können, um sich in der Luft zu halten. Da sie jedenfalls bei ihren Flügen sehr ökonomisch vorgehen und auf ihren Energieverbrauch aufpassen müssen, liegt es nahe, dass sie sich nicht auf Zick-Zack-Flüge einlassen, sondern ihre Ziele sehr direkt ansteuern. Wie geschickt sie das tun, konnten Mathieu Lihoreau, Lars Chittka und Nigel E. Raine von der Universität London beobachten und in wissenschaftlichen Studien - im Vorjahr im „American Naturalist” und jüngst in den „Royal Society Biology Letters” darlegen.

In der Mathematik wird seit rund 80 Jahren das „Problem des Handlungsreisenden” erforscht, vor das auch die Hummel gestellt ist. „Der Handlungsreisende muss die kürzeste Route herausfinden, die ihm erlaubt, alle Stationen auf seinem Weg möglichst rasch zu besuchen”, erklärt Nigel Raine. „Computer lösen das Problem, indem sie die Länge aller möglichen Routen vergleichen und die kürzeste auswählen. Hummeln schaffen das ohne Computerbeistand, indem sie ein Gehirn von der Größe eines Grassamens benutzen.”

Experiment mit Kunstblumen

Normalerweise ist die Nahrung der Hummeln, der Nektar, ungleichmäßig über die Blüten in einem Gebiet verteilt. Ihre Aufgabe besteht darin, mit möglichst wenig Energieaufwand so viel Nektar wie möglich zu sammeln. Dabei steuern sie aber keineswegs, wie man annehmen könnte, nach einer Blüte gleich die benachbarte Blüte an. Das zeigte auch das Experiment, das die Forscher mit Kunstblumen in einem Flugkäfig arrangierten. Zunächst wurden die Blumen mit der gleichen Menge Nektar gefüllt, und die Hummeln lernten, wie sie auf kürzestem Weg alle anfliegen konnten.

Mathieu Lihoreau berichtet: „Indem wir dann eine Blüte nektarreicher machten, zwangen wir die Hummeln, sich zu entscheiden, ob sie die kürzeste Route wählen oder zuerst die lohnendere Blüte ansteuern sollten.” Das Ergebnis: Bedeutete das Ansteuern der nektarreicheren Blüte nur einen kleinen Umweg, wurde sie gleich angeflogen, jedoch nicht, wenn ein größerer Umweg dafür erforderlich war.

Die Forscher protokollierten insgesamt 80 Runden der Futtersuche und stellten fest: Die Hummeln legten während der ersten zehn Runden Nektarsuche eine durchschnittliche Flugstrecke von 6541 Zentimeter zurück, während der letzten zehn Runden aber nur noch 3840 Zentimeter. Das heißt: Die Flugstrecken wurden kürzer, die gleiche Blüte wurde weniger oft zweimal besucht, und die Insekten beendeten ihre Runde schneller als zuvor. Nach Ansicht der Forscher lernen die Hummeln, wo sich die Blumen befinden, merken es sich und entwickeln daraus schrittweise die optimale Flugroute.

Was übrigens Hummeln den Bienen voraus haben, ist, dass sie nicht erst bei 15, sondern bereits bei 9 Grad Celsius ausfliegen und dass sie in der Regel harmlos und friedlich sind. Dass sie gar nicht stechen, ist zwar eine Legende, aber sie tun es viel seltener und meist nur, wenn sie sich bedroht fühlen oder gequetscht werden. Der deutsche Hummelzüchter Rüdiger Schwenk empfiehlt als bestes Mittel in einem solchen Fall: „Eine frische Zwiebel aufschneiden und draufdrücken.”