Streit um den Euro: Warum Frankreichs Präsident Hannes Androsch anrufen könnte, um sich erklären zu lassen, warum Angela Merkel doch recht hat.
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Indem er dieser Tage forderte, der Außenwert des Euro (gegenüber Dollar oder Yen) dürfe nicht "den Launen der Finanzmärkte" überlassen bleiben, eröffnete Frankreichs sozialistischer Staatschef François Hollande, mental offenbar gestärkt vom erfolgreichen Mali-Feldzug, eine Art Endschlacht um den Euro. Was er erreichen will, ist ein durch Interventionen (etwa der EZB) künstlich geschwächter Euro, der Frankreichs lahmender Exportwirtschaft Wettbewerbsvorteile verschaffen soll. Geführt wird diese Schlacht um die Einheitswährung vor allem gegen Kanzlerin Angela Merkel und deren wichtigsten Verbündeten, die Deutsche Bundesbank. Die fürchten mit gutem Grund, dies würde mittelfristig zu steigender Inflation und schwindender Kaufkraft in der Eurozone führen.
Es ist ein Konflikt, der in Österreich mit ganz ähnlichen Argumenten vor rund 40 Jahren geführt wurde und interessante Lehren für das Match Hollande vs. Merkel bereithielte.
Damals plädierte der (sozialdemokratische) Finanzminister Hannes Androsch, sehr ähnlich wie heute Merkel, für einen harten, fix an die Deutsche Mark gebundenen Schilling; nicht zuletzt, um die nach dem Erdölschock hohen Inflationsraten zu senken und die Kaufkraft der Bevölkerung zu bewahren.
Kanzler Bruno Kreisky hingegen wollte, wie heute Hollande, Österreichs Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten dadurch verbessern, dass der Schilling sich von der stahlharten D-Mark löse, abwerte und damit Österreichs Produkte im Ausland billiger mache. Dass ihn dabei bürgerliche Industrielle - aus naheliegendem Eigeninteresse - unterstützten, überrascht wenig.
Am Ende setzte sich Androsch durch, der Schilling blieb bis zur Ablösung durch den Euro eine Art zweite D-Mark, hart und stabil wie die deutsche Währung. Und heute ist weitgehend unbestritten, dass dies eine der klügsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Zweiten Republik war. Denn gerade der hohe Schilling-Außenwert zwang die Industrie, effizienter, innovativer und wettbewerbsfähiger zu werden - eine "Strukturpeitsche, die Österreichs Wirtschaft zu besonderer Leistungsfähigkeit trieb. Man kann daher behaupten: Hätte sich Kreisky statt Androsch durchgesetzt, stünde Österreich heute ökonomisch signifikant schlechter da.
In der Eurozone geht es heute nun um den gleichen Konflikt: Hollande möchte Frankreichs Wirtschaft jene "Strukturpeitsche" ersparen, die zwar nicht angenehm ist, letztlich aber die Volkswirtschaft langfristig eher ertüchtigen würde, so wie seinerzeit in Österreich geschehen.
Merkel hingegen fürchtet - aus gutem Grund -, dass eine allfällige europäische Weichwährungspolitik à la Kreisky zwar kurzfristig Exporte aus der Eurozone erleichtern würde, langfristig aber damit die Illusion aufrechterhalten würde, eine tatsächliche Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sei nicht notwendig. Wer sich durchsetzen wird, hängt letztlich im Herbst vom deutschen Wähler ab. Fällt Merkel, ist durchaus denkbar, dass Hollande und ein anderer Kanzler in Berlin doch noch verwirklichen, woran Kreisky dereinst zum Glück gegen Androsch gescheitert ist.
ortner@wienerzeitung.at