Zum Hauptinhalt springen

Brüssel bereitet Apothekern Kopfschmerzen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Kommission verschärft Verfahren. | "EU-Ausländer diskriminiert." | Brüssel. Das österreichische Apothekengesetz von 1906 verstoße gegen die EG-Binnenmarktgesetze, findet die EU-Kommission. Die Niederlassungsfreiheit würde unverhältnismäßig eingeschränkt. Deshalb hat die Kommission gestern, Mittwoch, ihr Strafverfahren gegen Österreich verschärft.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Konkret stößt sich die Brüsseler Behörde vor allem an der Diskriminierung von EU-Bürgern ohne österreichische Staatsangehörigkeit und dem Gebietsschutz. Gibt Wien auf die "begründete Stellungnahme" aus Brüssel innerhalb von zwei Monaten keine zufrieden stellende Antwort, winkt ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Reaktion Wiens auf das erste Mahnschreiben der Kommission vom Dezember 2005 ist offensichtlich nicht zufrieden stellen gewesen. Es steht zwar im Gesetz, dass EU-Ausländer und Schweizer nur eine Genehmigung für den Betrieb einer Apotheke erhalten dürfen, wenn diese seit mindestens drei Jahren besteht. In der Praxis spiele diese Regelung jedoch keine Rolle und diskriminiere daher auch niemanden, argumentieren die Österreicher sinngemäß. Das sei mit dem EU-Recht vereinbar.

Zur Verteidigung des Gebietsschutzes verwies Wien auf die wichtige Funktion der Apotheken für den Gesundheitsschutz der österreichischen Bevölkerung. Die Verfügbarkeit der Medikamente müsse garantiert und das hohe Niveau der Dienstleistungen erhalten werden können. Daher müsse es eine Einkommensgarantie für Apotheken geben. Vor allem auf die Serviceleistungen - wie kostenlose Beratungsgespräche - könnte steigender Konkurrenzdruck auf die Apotheken einen negativen Einfluss haben.

"Insider-Gruppe"

Die EU-Kommission hat vollstes Verständnis für das Ziel des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung. Allein der österreichische Weg dorthin will ihr nicht einleuchten. Es sei nicht einzusehen, dass die Versorgung der Österreicher mit Medikamenten nur funktioniere, wenn "sich eine Gruppe von Insidern das Geschäft von Generation zu Generation zuschanzt", hieß es.

In Österreich müssen für die Eröffnung einer neuen Apotheke im Umkreis von vier Straßenkilometern mindestens 5.500 Menschen wohnen, die noch nicht von einer ärztlichen Hausapotheke versorgt werden. Der Mindestabstand zu nächsten Apotheke muss 500 Meter betragen. Sowohl für die bestehende als auch die neue Apotheke müssen mindestens 5.500 Anrainer als potentielle Kunden übrig bleiben. "Unverhältnismäßig, wenn nicht gar kontraproduktiv mit Blick auf eine ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln im jeweiligen Gebiet", findet die Kommission. Auch das österreichische Verbot der Eröffnung einer Apotheke in einer Gemeinde, die keine Arztpraxis hat, fördere kaum die Versorgungssicherheit.

Das österreichische Gesundheitsministerium verwies als Reaktion darauf, dass das österreichische Apothekenrecht erst vor kurzem geändert worden sei. Die Novelle werde im Verfahren berücksichtigt werden müssen.

Zigarettenpreise

Der Vorgangsweise der Österreicher nicht folgen kann Steuerkommissar Laszlo Kovacs auch bei den Zigarettenmindestpreisen von 3,25 Euro pro Schachtel: Die Mindestpreise schränkten die gesetzlich verankerte Freiheit der Hersteller und Importeure ein, Verkaufspreise selbst festzuschreiben.

Lesen Sie auch:Zigarettenpreise nicht EU-konform