Kann Griechenland seine Vorgaben überhaupt erreichen?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Nein, ja - oder vielleicht doch nicht: Es gibt keine Einigung in Athen. Oder doch? Schon, aber mit Vorbehalten. Die sich überschlagenden Meldungen zur Krise in Griechenland sorgten vor dem Sondertreffen der Finanzminister der Eurogruppe für gehörige Verwirrung. Und sie drückten die zunehmende Ratlosigkeit aus, in die das Thema der eilig für Donnerstagabend einberufenen Zusammenkunft alle Beteiligten stürzt: die Rettung Griechenlands und ein zu diesem Zweck geschnürtes zweites Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro.
Als der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos nach Brüssel aufbrach, konnte er noch keine Einigung in allen Punkten zu den Sparmaßnahmen aufweisen, die seinem Land auferlegt worden waren. Doch wenige Stunden vor dem Ministertreffen hieß es, dass die Parteien in Athen den Bedingungen der Troika zugestimmt hätten. Diese Gruppe, bestehend aus Vertretern der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte noch kurz zuvor in stundenlangen Verhandlungen um die Details der Sparpläne gerungen.
Diese sind Voraussetzung für die Vergabe der Notkredite, ohne die Griechenland Mitte März vor der Staatspleite steht. Da ist nämlich die Bezahlung eines Schuldenteils in Höhe von 14,5 Milliarden Euro fällig.
Finanzministerin Fekter: "An Umsetzung hapert es"
IWF-Direktorin Christine Lagarde begrüßte die Einigung in Athen denn auch als "sehr ermutigende" Nachricht. Es sei harte Arbeit geleistet worden. Doch die müsse nun auch Früchte trage, befanden die meisten Finanzminister. Ihre Hoffnungen auf eine rasche Einigung zum gesamten zweiten Hilfspaket waren sichtlich gedämpft.
Es werde dazu in dieser Nacht keine Entscheidung geben, mutmaßte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Aus Berliner Regierungskreisen hieß es, die Griechen müssten zunächst jene Reformen und Einsparungen vorantreiben, die als Bedingung an das erste Hilfsprogramm geknüpft sind. Dafür würden sie allerdings kaum mehr Zeit haben.
Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter formulierte es so: "An der Umsetzung hapert es." Den Plänen der Griechen müssten nun Taten folgen. Die Geduld jener, die helfen wollen, sei nämlich bereits sehr strapaziert. Auch Fekter ließ offen, ob bald eine Entscheidung über das Rettungspaket fällt. Diesem müssten sowieso noch einige Länder auf nationaler Ebene zustimmen.
Im Gespräch war aber, Athen das Placet zu geben, in der kommenden Woche den privaten Gläubigern ein Angebot zum Umtausch ihrer Anleihen zu unterbreiten. Durch den mit den Gläubigern vereinbarten Forderungsverzicht soll Griechenland um rund 100 seiner mehr als 350Milliarden Euro Schulden entlastet werden. Der Umtausch sollte bis zum nächsten EU-Gipfel Anfang März abgeschlossen sein.
Doch auch sonst sind die Anforderungen an Athen hoch - oder wie es die Sozialdemokraten im EU-Parlament bezeichnen "ruinös". Immerhin sollen die Griechen noch heuer 3,3 Milliarden Euro einsparen, das ist mehr als 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ende 2015 soll das Land dann mehr Einnahmen als Ausgaben haben.
Erreicht werden soll dies unter anderem durch Kürzungen bei Gehältern und massiven Stellenabbau im öffentlichen Dienst. So wird der Mindestlohn um ein Fünftel auf knapp 600 Euro gesenkt. Bis zu 15.000 Beamten werden zunächst auf Teilzeit gesetzt und danach entlassen; bis zum Jahr 2015 sollen insgesamt im Staatssektor 150.000 Stellen abgebaut werden. Eingespart soll auch bei anderen Budgetposten werden - etwa 400 Millionen Euro bei öffentlichen Investitionen oder 300 Millionen beim Militärhaushalt.
Einnahmen aus Verkäufen sollen viel geringer sein
Wie konsequent Griechenland die Pläne umsetzen wird, ist aber in der Tat noch offen. So könnten die Gewinne aus Privatisierungen nur halb so hoch ausfallen wie ursprünglich geplant, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Laut einem Mitarbeiter der Privatisierungsagentur in Athen wurde das Einnahmeziel aus Verkäufen von Staatsbesitz bis 2015 auf 19 Milliarden Euro verringert. Mit EU und IWF ausgemacht waren 50Milliarden Euro. Dies werde zwar weiterhin angepeilt, aber zu einem späteren Zeitpunkt, hieß es aus Athen.
Noch diese Woche jedoch soll das Parlament über die Sparpläne abstimmen. So lange warten wollen die Gewerkschaften keinesfalls. Bereits für den heutigen Freitag haben sie erneut zu einem Generalstreik aufgerufen. Der soll diesmal zwei Tage dauern.