Entscheidung über Gültigkeit der Absetzung des Präsidenten nächste Woche.
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Bukarest. Die Staatskrise in Rumänien geht kommende Woche in die entscheidende Runde: Am 21. August will das Verfassungsgericht entscheiden, ob die Volksabstimmung zur Absetzung des Staatschefs gültig oder ungültig ist. Das Gericht forderte die Regierung daher erneut auf, ihm die dafür benötigten Wählerlisten zur Verfügung zu stellen. Die scheint die Regierung unter Premierminister Victor Ponta allerdings partout nicht herausrücken zu wollen. Damit will sie wohl die sich abzeichnende Rückkehr ihres Erzfeindes, des derzeit vom Amt suspendierten bürgerlichen Staatspräsidenten Traian Basescu, verhindern.
Die Wählerlisten seien nicht bei der Regierung, sondern bei der Wahlbehörde anzufordern, belehrte Ponta das Verfassungsgericht in einem Schreiben, obwohl das Innenministerium und damit die Exekutive für die Organisierung von Wahlen und Volksentscheiden zuständig ist.
Besagte Wählerlisten sind mittlerweile zu einem Kernpunkt der sich intensivierenden internationalen Rügen geworden. So forderte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso Regierungschef Ponta in einem harschen Brief auf, dem Verfassungsgericht die eingeforderten Wählerlisten endlich zur Verfügung zu stellen. Barroso zeigte sich zudem über den zunehmenden Druck auf die Verfassungsrichter besorgt. Fast zeitgleich mit dem Kommissionschef reagierte auch Washington: Die USA seien besorgt wegen der "letzten Aktionen der rumänischen Regierung, die die demokratische Gewaltenteilung bedrohen und die Unabhängigkeit staatlicher Institutionen schwächen", teilte das State Department mit.
US-Außenministerin Clinton schickte ihren Stellvertreter Philip Gordon zu einem Blitzbesuch nach Bukarest, wo der Sonderemissär Tacheles redete: Die US-Verwaltung unterstütze sämtliche Forderungen der EU-Kommission an Rumänien ausdrücklich; sofern es anhaltende Zweifel an der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Land gebe, werde früher oder später auch die strategische Partnerschaft zwischen den USA und Rumänien in Frage gestellt, warnte Gordon.
Säbelrasseln links-liberaler Scharfmacher nimmt zu
Die links-liberale Koalition antwortet mit nationalistischem Säbelrasseln auf die Rügen aus Brüssel und Washington. Es sei "unerhört", dass Barroso "von irgendwoher aus dem Urlaub" schreibe und gar nicht wisse, "was bei uns eigentlich vorgeht", tönte der kommissarische Präsident Antonescu. Ähnlich unwissend ist nach Ansicht des Scharfmachers auch Washington: Gordon sei "inadäquat über die Lage in Rumänien informiert" gewesen. Schützenhilfe erhielt Antonescu von Altkommunist Ion Iliescu, der die "stürmische Anreise" von Clintons Stellvertreter als "unerquicklich" und Folge der "Desinformationskampagne" des vom Amt suspendierten Staatschefs bezeichnete. Dem ersten Nachwendepräsidenten des Landes pflichtete Premier Ponta prompt bei: Rumäniens verheerendes Image im Ausland gehe "hundertprozentig" auf das Konto Traian Basescus.
Die schwere politische Krise dürfte allerdings selbst im Fall eines für ungültig befundenen Referendums zur Absetzung des Staatsoberhauptes nicht so schnell enden, sondern bis zu den Parlamentswahlen im Spätherbst andauern. Interimspräsident Antonescu, der durch Basescus Rückkehr ins Amt am meisten zu verlieren hat, stellte bereits klar, er werde nur "tot" aufgeben.
Für die Regierung Ponta ist die Rückkehr des bürgerlichen Präsidenten, der einer unabhängigen Justiz stets den Rücken stärkte, ebenfalls ein Alptraum. Der Generalstaatsanwalt ermittelt seit Wochenbeginn wegen Wahlmanipulation während des Volksentscheids. Erste Beweise für mehrfach abgegebene Stimmen und einen vermutlich massiven Wahlbetrug zugunsten der Absetzung Basescus liegen bereits vor. Dass derlei Ermittlungen dem links-liberalen Bündnis höchst ungelegen kommen, liegt auf der Hand. Aus jüngst veröffentlichen Abhörprotokollen von Telefonaten zwischen den inzwischen entlassenen Ministern für Verwaltung und Inneres geht hervor, was so manche Spitzenpolitiker der Regierungskoalition über die Manipulation des Referendums denken: "Ich habe keine Lust darauf, meine alten Tage im Knast zu verbringen", sagt Ex-Innenminister Ioan Rus dem ebenfalls letzte Woche "gegangenen" Verwaltungsminister Dobre. Und Letzterer ermahnt einen unbekannten Gesprächspartner klipp und klar: "Am besten nichts wie weg aus dieser kriminellen Clique."