Zum Hauptinhalt springen

Brüssel geht in die Steueroffensive

Von Martyna Czarnowska

Politik
Moscovici wünscht sich mehr Abgaben von Internetkonzernen.
© reu/Lenoir

Internationale Online-Unternehmen sollen stärker zur Kasse gebeten werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel/Wien. Den internationalen Tag der Frankophonie bräuchte Pierre Moscovici gar nicht als Anlass. Denn auch sonst beginnt der EU-Finanzkommissar seine Presseauftritte meist in seiner Muttersprache. Dennoch verwies der Franzose gern auf den soeben vergangenen Feiertag, bevor er in Brüssel die neuesten Steuerpläne der Behörde präsentierte. Pläne, die übrigens nicht zuletzt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron vorangetrieben hat.

Es geht um die Besteuerung der digitalen Wirtschaft, die sich bisherige Regelungen zu Nutze machen konnte. Und die stammen noch aus dem vorigen Jahrhundert, aus einer Zeit, als es Internet noch nicht gab. Damals wurden Steuern unter anderem an der physischen Präsenz eines Unternehmens gemessen: Was in einer Fabrik oder einem Büro produziert wurde, konnte zur Abgabenberechnung herangezogen werden. Doch für Klicks, Online-Käufe oder virtuelle Datenverwertung gilt das nicht - denn nichts von dem ist an einen Ort gebunden. Noch dazu können international tätige Konzerne ihre Gewinne so verschieben, dass ihre Steuerlast deutlich sinkt. Das trägt dazu bei, dass der durchschnittliche effektive Steuersatz digitaler Unternehmen nach Kommissionsangaben mit nicht einmal neun Prozent derzeit nur halb so hoch ist wie für herkömmliche Betriebe.

Brüssel schlägt daher eine Übergangslösung vor, die bis zu einer grundlegenden Neuregelung greifen soll. Künftig sollen Online-Firmen Umsätze aus bestimmten Geschäften - etwa Erträge aus dem Verkauf von digitalen Anzeigen oder von Daten, die aus Nutzerinformationen generiert werden - versteuern. Das würde ebenso für Umsätze aus der Bereitstellung von Handelsplattformen gelten. Betroffen wären Unternehmen mit Erträgen in Höhe von 750 Millionen Euro weltweit und 50 Millionen Euro in der EU. Die Abgabe soll in dem Land erfolgen, in dem die Nutzer ansässig sind.

Die Höhe der Steuer würde nach den Wünschen der Kommission drei Prozent betragen. Das wiederum würde für die Mitgliedstaaten Einnahmen von schätzungsweise fünf Milliarden Euro jährlich bedeuten.

Digitale Präsenz

Bei diesen Maßnahmen soll es allerdings nicht bleiben. Geht es nach der Kommission, würde eine Reform der Vorschriften zur Berechnung der Körperschaftsteuer folgen. Dabei soll - neben einer physischen - eine digitale Präsenz definiert werden. Die Kriterien dafür würde ein Unternehmen erfüllen, wenn es mehr als sieben Millionen Euro jährlich in einem Mitgliedstaat erwirtschaftet, mehr als 100.000 Nutzer verzeichnet oder mehr als 3000 Geschäftsverträge über digitale Dienstleistungen abgeschlossen hat. Auch da würde sich der Ort der Besteuerung nach dem Ort richten, an dem sich der Nutzer zum Zeitpunkt des Vebrauchs befindet.

Die Annahme, dass sich das Vorhaben vor allem gegen US-Konzerne wie Facebook oder Google richtet, die nun einmal zu den größten IT-Unternehmen gehören, weist Moscovici zurück. Von der Steuer wären 120 bis 150 Firmen betroffen, und nur die Hälfte davon kommen aus den USA.

Die Kommission wird nicht müde zu betonen, dass es also keine anti-amerikanische Initiative sei. Das Verhältnis zu Washington könnte sich durch die Pläne dennoch verschlechtern - worauf auch Wirtschaftskreise hinweisen. Von dort kommen noch weitere Einwände. Der Verband Businesseurope etwa würde eine globale Regelung im Rahmen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) lieber sehen. Auch die Wirtschaftskammer Österreich warnt davor, dass österreichische Unternehmen die Steuerlast zu tragen hätten und es mögliche Probleme bei Doppelbesteuerung geben könnte.

Zustimmung zu dem Vorhaben gab es hingegen in Teilen des EU-Parlaments. Die Sozialdemokraten und die Grünen begrüßten den Vorstoß der Kommission und fordern eine rasche Umsetzung. Aber auch die Europäische Volkspartei zeigte sich zufrieden.

Allerdings müssen die Mitgliedstaaten die Idee ebenfalls unterstützen. Ob jedoch die bei Steuerfragen erforderliche Einstimmigkeit erzielt werden kann, ist noch unsicher. Irland, das in der Vergangenheit einige Internet-Unternehmen mit für diese günstigen Steuerabsprachen gelockt hatte, ist skeptisch. Ähnliches gilt für die Niederlande sowie Luxemburg.

Die EU-Kommission kontert mit Zahlen, die die wachsende wirtschaftliche Bedeutung der digitalen Firmen veranschaulichen. Sie schätzt, dass bis 2020 rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts online erwirtschaftet werden.