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Brüssel peilt zahnlose EU-Volksbegehren an

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EU-Kommissar ist gegen Frist für Gesetzesvorschläge. | Brüssel. Das EU-Volksbegehren sollte die direkte Demokratie in der EU unter dem Lissabonner Vertrag stärken. Und die EU-Kommission drückt jetzt zwar aufs Gas. Schon morgen, Mittwoch, stellt der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic seinen Vorschlag für die "Europäische Bürgerinitiative" vor. Doch soll diese möglichst zahnlos werden. Denn es ist keine Frist geplant, innerhalb der die Kommission nach einem erfolgreichen Volksbegehren auch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag machen müsste. Das geht aus einem Entwurf der EU-Verordnung für die Bürgerinitiative hervor, der der "Wiener Zeitung" vorliegt.


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Darin präzisieren Sefcovic Beamte, wie die direkte Demokratie in der EU künftig aussehen soll. Denn der Lissabonner Vertrag besagt nur, dass die Kommission tätig werden muss, wenn eine Million EU-Bürger aus einer signifikanten Anzahl von Mitgliedsländern sie dazu auffordern. Aus mindestens einem Drittel der EU-Staaten - also derzeit neun - müssen ausreichend Unterschriften kommen, heißt es in dem Papier. Um dabei zu sein, wäre für Österreich die Schwelle mit 14.250 Unterschriften deutlich niedriger als die 100.000 Stimmen für ein erfolgreiches nationales Volksbegehren. Berechnet werden Untergrenzen entsprechend der Anzahl der Abgeordneten im EU-Parlament. Dieses Gleitmodell soll gewährleisten, dass die Schwellen in großen Ländern wie Deutschland (72.000 Stimmen) und Frankreich (55.500 Unterschriften) nicht unverhältnismäßig hoch und kleinen Staaten wie Luxemburg, Zypern und Malta mit je 4500 nicht zu niedrig sind. Stimmberechtigt soll sein, wer auch an den Wahlen zum EU-Parlament teilnehmen darf. In fast allen EU-Ländern liegt das Mindestalter dafür bei 18 Jahren, in Österreich bei 16.

Kritik der Grünen

EU-Volksbegehren müssten zentral bei der EU-Kommission registriert werden, für die Verifizierung der Unterschriften wären die Mitgliedstaaten selbst zuständig; Online-Plattformen für die Stimmabgabe werden dezidiert erlaubt. Doch die Schwachstelle: Zwei Monate soll die EU-Kommission Zeit haben, um zu überprüfen, ob der Gegenstand des Begehrens überhaupt EU-Kompetenz ist. Nach weiteren vier Monaten will sie in einer formellen Mitteilung ihre weitere Vorgangsweise zum Thema bekannt geben - also ob sie einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten will oder nicht. Auch im Falle einer positiven Beurteilung, gibt es aber keinen Zeitrahmen, innerhalb dessen sie agieren müsste.

"Das geht natürlich nicht", sagte die Grüne Europaparlamentarierin Ulrike Lunacek. "Ein Zeitplan für die Vorlage ist unbedingt notwendig. Sonst könne es auch fünf Jahre dauern, bis etwas passiere. "Das ist, wie die Leute an der Nase herumzuführen." Auch die "viel zu hohe Schwelle" von neun Ländern, kritisierte Lunacek. "Wenn man will, dass die Bevölkerung mitmacht, muss man sie heruntersetzen - wir wollen ein Fünftel." Das bedeutete sechs Länder, wie es sich auch das österreichische Innenministerium in seiner Stellungnahme gewünscht hatte. Etwa Initiativen gegen den Lkw-Transit in den Alpen hätten ansonsten keine Chance, hieß es.

Sefcovic Vorschlag wird daher in den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament wohl noch in einigen Bereichen abgeändert werden. Experten schätzen, dass die EU-Bürgerinitiative gegen Ende des Jahres Wirklichkeit wird.