BVA-Chef Michael Sachs übt Kritik an EU-Regelungen. | Zweifel an Bundesvergabegesetz. | "Wiener Zeitung":In den fünf Jahren, in denen Sie an der Spitze des Bundesvergabeamts (BVA) stehen, gab es spektakuläre Anfechtungen wie beim Bau des Stadions in Klagenfurt, die Polizeiautos oder die Nordautobahn. Es scheint, als gäbe das Bundesvergabegesetz dem BVA genug zu tun.
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Michael Sachs: Prinzipiell ja. Wobei man sich freuen müsste, wenn jeder Strafrichter in Österreich nichts zu tun hätte. Dann würde alles funktionieren. Ähnlich ist es bei jeder Rechtsschutzbehörde.
Sie hätten also lieber, dass alles reibungslos funktioniert. Geht das beim Bundesvergabegesetz überhaupt?
Ganz sicher nicht. Aber ein Verfahren vor dem BVA ist per se nichts Schlechtes. Das passiert, weil es unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Anforderungen gibt.
Ich verstehe sehr gut, wenn Unternehmer, die insbesondere keine Rechtsabteilungen haben, also Klein- und Mittelbetriebe, da gewisse Probleme haben. Das Ganze beginnt schon mit der Ausschreibung. Wenn kein Unternehmer die Ausschreibungsbedingungen anficht, dann sitzt es. Das bringt ein zügiges Vergabeverfahren. Vom volkswirtschaftlichen Aspekt her ist das positiv.
Wie beurteilen Sie die EU-Regelungen zum Vergaberecht?
Das wichtigste ist, in eine Konsolidierungsphase hineinzukommen, sodass man europaweit auf relativ einheitliche Normen hinkommt - auch in der Umsetzung. Ein Effekt tritt ja bei weitem nicht so ein, wie es immer behauptet wurde: die Cross-Border-Geschäfte, also über die jeweilige Staatsgrenze hinweg. Die Beauftragung von Unternehmen, die nicht Niederlassungen in dem jeweiligen Nationalstaat haben, liegt irgendwo im einstelligen Prozentbereich.
Warum?
Weil die Umsetzung derartiger Aufträge nicht nur daran hängt, dass ich einen Auftrag gewinne, sondern dass ich auch eine Kundenbeziehung habe. Die Kundenbetreuung aus einem fernen Land zu tätigen, halte ich für schwierig.
Sie haben in dem Interview mit der "Wiener Zeitung" im Jänner gesagt, dass Sie überhaupt am Sinn des Bundesvergabegesetzes zweifeln.
Es ist notwendig, dass man sich immer wieder fragt: Worin liegt der Zweck dieser Norm? Macht es Sinn, bestimmte Regelungen in einem Bereich zu haben, der geringer ist, als ein durchschnittlicher Häuslbauer ausgeben kann?
Sie sprechen von der Direktvergabe?
Die Direktvergabe liegt bei uns bei 40.000 Euro derzeit. Meines Erachtens könnte man das ohne großen negativen Aufwand sicherlich weiter hinauf setzen. Denn allein die Kontrolle ist ja viel teurer als die Möglichkeiten einer unzulässigen Vergabe. Die nachprüfende Kontrolle durch den Rechnungshof wäre ja trotzdem da.
Das Bundesvergabegesetz macht also bei gewissen Schwellenwerten keinen Sinn.
Wir haben eine europäische Norm, die müssen wir umsetzen. Was dort drinnen steht, sollten wir aber schon immer wieder überdenken - zum Beispiel in Hinblick auf Klein- und Mittelunternehmen. Außerdem: Brauchen wir wirklich die großen Unterscheidungen zwischen den Sektorenauftraggebern und dem klassischen Bereich? Sektorenauftraggeber sind bestimmte Wirtschaftssektoren, die ein vereinfachtes Vergaberegime haben. Da frage ich mich, warum wir nicht den Schritt wagen, dass man das auch vereinheitlicht.
Sie stellen also das Bundesvergabegesetz an sich nicht in Frage, sondern nur bestimmte Regelungen?
Die Vereinfachung des Gesetzes wäre wirklich gut. Es ist wichtig, dass man die Leute nicht überfordert. Ich glaube, dass man einen stärkeren Informationsfluss und einfachere Regeln zusammenbringt. Man sollte ein bisschen anwenderfreundlicher sein. Das richtet sich an die Politik, aber vor allem an Brüssel. Und wichtig ist, bei künftigen Regelungen - auch verfassungsrechtlicher Art - praxisorientiert zu bleiben.
Könnte das Bundesvergabegesetz KMU-freundlicher sein?
Ja, aber man muss aufpassen auf die europäische Ebene! Wir können nicht innerösterreichisch einen Vorrang für Klein- und Mittelbetriebe haben, wenn das nicht auch auf EU-Ebene passiert. Ich glaube auch nicht, dass man die Problematik mit den Klein- und Mittelbetrieben damit in den Griff bekommt, dass man zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten einbaut.
Was könnte man sonst tun?
Wichtig ist eine intelligente Form der Ausschreibungsgestaltung: Dass ich nicht nur ein Megaprojekt mache. Wenn ich zum Beispiel österreichweit 12.000 Bürodrehsessel in einem Kontingent ausschreibe, scheiden die Kleinen aus, und ich habe den Markt leer geräumt für die nächsten vier Jahre.
Sind Sie mit der Erledigung der Fälle durch das BVA zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden. Wir haben ein extrem schnelles Verfahren. Wir haben sechs Wochen zur Endentscheidung. Wir haben für Provisorialverfahren (Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, Anm.) eine Woche. Der Senatsvorsitzende hat in Wirklichkeit zwei Tage Zeit zu entscheiden, ob wir einen Vergabestopp durchführen sollen oder nicht - und das bei Aufträgen bis zu 970 Millionen. Wenn ich den Vergabestopp nicht verfüge, kann der Auftraggeber am nächsten Tag um 0 Uhr 5 den Zuschlag erteilen. Das kommt auch vor.
Das ist schon eine Farce.
Ich weiß nicht, ob es eine Farce ist. Wenn Ausschreibungen getätigt werden, macht man das ja nicht aus Spaß. Wenn man ein Pech hat, dauert so eine Ausschreibung bis zu eineinhalb Jahren. Man ist froh, wenn man das durchgebracht hat. Wir haben Fälle, wo allein die Teilnahme an einem Verfahren - die Unterlagen und die interne Organisation eines Teams - eineinhalb bis zwei Millionen Euro kosten.
Wie stehen Sie der möglichen Zusammenlegung der Sondergerichte wie dem BVA gegenüber, die ja im Rahmen der Staatsreform geplant ist?
Es ist der richtige Weg, dass man eine Verfassungsreform macht. Aber die Zusammenlegung von rund 70 Sonderverwaltungsbehörden in ein einziges Bundesverwaltungsgericht erster Instanz sollte man überdenken. 350 Juristen plus ungefähr 50 bis 70 Beisitzer in einer Vollversammlung... Da braucht man nur ein Prozent Missverständnisse haben, und man kann diese Vollversammlung schmeißen. Wie will man da eine Geschäftsordnung, eine Geschäftsverteilung und die Vertretungsregelungen machen?
Ich weiß nicht, ob da nicht die Rechtsstaatlichkeit auch leidet. Man sollte auch ein bisschen mehr die Themenbereiche zusammenfassen.
Das wird die Kunst sein, dass man verfassungsrechtlich die Schranken nicht so eng setzt, dass es nur ein einziges Bundesverwaltungsgericht geben darf, dann drauf kommt, dass das nicht der Idealzustand ist und wieder eine Novelle zur Verfassung macht. Es ist wichtig, dass wir keinen Moloch schaffen, der den Rechtsschutz untergehen lässt.
Zur Person
Michael Sachs ist seit 2002 Vorsitzender des Bundesvergabeamtes und somit - neben dem Rechnungshof - Wächter über die öffentliche Auftragsvergabe. Davor hatte er einige leitende Funktionen in der Verwaltung inne und war zuletzt stellvertretender Sektionsleiter im Präsidium des Wirtschaftsministeriums.
Der promovierte Jurist ist auch Mitglied des Obersten Patent- und Markensenates der Großen Beschwerdekammer beim Europäischen Patentamt.