Verbraucherschutz in Österreich würde erhöht. | Zustände wie in den USA sollen vermieden werden. | Brüssel. Die EU-Kommission will Verbrauchern, die vom selben Unternehmen geschädigt wurden, gemeinsame Schadensersatzforderungen ohne übermäßiges finanzielles Risiko erleichtern. Dafür fasst sie ein EU-weites System für Sammelklagen ins Auge. Ähnliche Möglichkeit gibt es bereits in 13 Mitgliedsstaaten. Österreich kennt bisher nur Musterklagen, die dann für ähnlich gelagerte Fälle rechtliche Vorbildwirkung haben. Verbraucherschützer befürworten die Einführung des Systems über den Umweg Brüssel.
Laut einem Strategiepapier von Konsumentenschutzkommissarin Meglena Kuneva, das nächste Woche vorgestellt werden soll, ist allerdings noch nicht klar, wie weit ein mögliches neues EU-Gesetz gehen soll. Eine EU-Verordnung, die unmittelbar in die Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten eingreift, habe die stärkste Auswirkung, heißt es in dem Entwurf, der der "Wiener Zeitung" vorliegt. Eine Rahmenrichtlinie, die nur Grundsätze verpflichtend vorschreibt und die Detailregelungen den Mitgliedsstaaten überlässt, könne immer noch die größten Hürden überwinden. Bei einer rechtlich nicht verbindlichen Empfehlung sei es dagegen "weniger wahrscheinlich, die benötigten Resultate zu erzielen".
Windige Milliardenklage
Sichergestellt werden soll, dass es nicht zu Exzessen wie in den USA kommt, wo Konzerne mit windigen Milliardenklagen an den Rand ihrer Existenz getrieben werden können. Ein Anwalt kann dort im Namen von Millionen potenziell geschädigten Konsumenten klagen. Die müssten aktiv von ihrer Beteiligung zurücktreten, um nicht im Boot zu sein - die sogenannte opt-out-Variante. Als wahrscheinlicher gilt daher, dass sich Geschädigte in der EU der Klage anschließen, nachdem sie von den Klagsführern über die Medien davon erfahren haben. Diese wären etwa Verbraucherverbände oder Ombudsmänner.
Für die Vorfinanzierung der Verhandlungskosten und die Übernahme des Prozessrisikos erhielten sie dann einen Teil der Entschädigungszahlungen. Andere Wege, um die Kosten begrenzt zu halten, könnten laut Kunevas Papier die Befreiung der Sammelklagen von Gerichtskosten oder deren Deckelung sein. Auch eine indirekte staatliche Unterstützung über die finanzielle Förderung von Verbraucherverbänden ist denkbar. Das Prinzip, dass der Verlierer des Gerichtsverfahrens sämtliche Kosten übernehmen muss, soll absurd hohe Entschädigungsforderungen zusätzlich eindämmen.
Sammelklagen könnten etwa zum Einsatz kommen, wenn eine Fluglinie Passagieren eines abgesagten Fluges kein Hotel zur Verfügung stellt; oder, wenn ein Mobilfunkanbieter durch eigenwillige Rundungsregeln auf der Rechnung jeden einzelnen Kunden um ein paar Cent bringt und damit Millionen zusätzlich einstreift. Letzteres ist in Spanien tatsächlich passiert.
Skepsis unter Experten
Diplomaten rechnen nicht mit einer raschen Einführung des EU-weiten Sammelklagensystems. Es werde wohl bei einer Empfehlung oder im besten Fall bei einer Rahmenrichtlinie bleiben, hieß es in Brüssel. Eine Verordnung bei der nötigen Mehrheit der Mitgliedsstaaten durchzusetzen, sei "völlig undenkbar". Zu tief wäre der Eingriff in die Zivilrechtssysteme der EU-Länder.
Auch die Industriellenvereinigung sieht das Thema Sammelklagen "prinzipiell sehr kritisch". "Um noch irrwitzigere Kosten abzuwenden, müssten Unternehmen mit dem Rücken zur Wand kostspielige Vergleiche schließen, ohne dass ein tatsächlicher Rechtsbruch ausjudiziert werden kann", sagte der Brüsseler IV-Bürochef Berthold Berger-Henoch.
Die Europäische Union will Sammelklagen indes künftig auch für Unternehmen erleichtern, die von illegalen Kartellen geschädigt wurden. Pläne dafür will Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes im Dezember präsentieren.