Bis zu 60 Prozent Reduktion geplant. | EU fordert dafür Gegenleistungen. | Brüssel. Im Genfer Welthandelspoker ist eine neue Runde eingeleitet worden. EU-Außenhandelskommissar Peter Mandelson hat gestern in einer Telefonkonferenz der fünf wichtigsten Handelsmächte den angeblich letzten Vorschlag der EU vorgelegt. "Wir haben unseren Spielraum ausgeschöpft", erklärte der Brite anschließend an einer Pressekonferenz in Brüssel.
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Laut dem neuen Vorschlag will die EU ihre Agrarzölle um durchschnittlich 46 Prozent senken. Die höchsten Zölle sollen dabei um 60 Prozent sinken, die niedrigsten immer noch um 35 Prozent. Kein Zoll soll mehr 100 Prozent des Produktwerts überschreiten. Mandelson nannte dies gestern die größte je von der EU vorgeschlagene Kürzung. Bereits zuvor hatte die EU einen Abbau der internen Stützungen um 70 Prozent und die Abschaffung der Exportsubventionen angeboten.
Mandelson band diese Zusagen an Bedingungen. Die USA müssten ihre internen Stützungen für die Landwirtschaft und ihre handelsverzerrende Lebensmittelhilfe stärker abbauen. Australien, Neuseeland und Kanada sollten ihre Exportmonopole reformieren. Vor allem aber müssten die großen Entwicklungsländer ihre Zölle auf Industriegüter senken und ihren Dienstleistungsmarkt öffnen. "Das Gesamtergebnis muss ausgewogen sein", sagte er mit Blick auf die laufende Liberalisierungsrunde im Rahmen der Genfer Welthandelsorganisation (WTO).
Druck kommt aus Washington und Paris
Mit dem neuen Vorschlag bleibt Brüssel hinter den Forderungen der andern großen Handelsmächte zurück. Die USA hatten einen Zollabbau von 90 Prozent gefordert, die großen Entwicklungsländer um Brasilien und Indien um 75 Prozent. Das sei unrealistisch, sagte Mandelson gestern. Große Teile der Landwirtschaft in Europa und Japan würden bei einem solchen Abbau des Zollschutzes zerstört. Die Gruppe der Agrarimporteure um Japan und die Schweiz dagegen wollen die Zölle weit weniger abbauen. Einen Maximalsatz lehnen sie strikt ab.
Umgekehrt hatte sich in der EU selbst der Widerstand gegen Zugeständnisse verstärkt. Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatte beim EU-Gipfel vom Donnerstag mit dem Veto gedroht, falls eine Einigung zu sehr zu Lasten der Landwirtschaft ginge.
In den nächsten Wochen muss sich eine Lösung abzeichnen. Sonst dürfte die WTO-Ministerkonferenz im Dezember in Hongkong scheitern. Die laufende Liberalisierungsrunde wäre damit faktisch am Ende.