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Brüsseler Griff nach der Steuerhoheit

Von Martyna Czarnowska

Politik

So wie der Streit um den EU-Haushalt entbrennt regelmäßig auch die Debatte um mehr Eigenmittel für die Gemeinschaft.


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Es geht um ein paar Promille - aber die machen ein paar Milliarden Euro aus. Als die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstagnachmittag zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkamen, lagen die Vorstellungen zum künftigen mehrjährigen Unionsbudget sogar um dutzende Milliarden Euro auseinander. Prozentsätze schwirrten ebenfalls einige durch den Diskussionsraum: Auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung wollten Österreich, Dänemark, die Niederlande und Schweden die Ausgaben beschränken, während die "Freunde der Kohäsion", also der Infrastrukturförderungen, von Portugal bis Polen auf die Aufstockung dieser Töpfe pochten. Das Parlament wünschte sich 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens und hat schon im Vorfeld mit einem Veto gegen den 1,074 Prozent-Vorschlag von Ratspräsident Charles Michel gedroht. Dieser Entwurf fixierte den EU-Haushalt für 2021 bis 2027 bei 1,095 Billionen Euro.

Alle - sieben - Jahre wieder spitzen sich die Debatten ums Geld für die EU zu. Zwar wird alle zwölf Monate ein Budget für das kommende Jahr abgesteckt, aber das muss sich eben innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens bewegen. Genau über den hatten die Spitzenpolitiker am Donnerstag zu beraten.

Abhängig von Länderbeiträgen

Alle - sieben - Jahre wieder bricht dabei heftiger Zwist aus, und Teil davon ist jener zwischen Nettozahler- und Empfängerstaaten. Die einen überweisen mehr Mittel ins EU-Budget, als sie daraus zurückbekommen, bei den anderen ist es umgekehrt - wobei auch reichere Länder davon profitieren, wenn in ärmeren investiert wird und sich so das wirtschaftliche Gefälle zwischen den EU-Regionen verringert.

Der Streit weist aber gleichzeitig auf eines der wesentlichen Probleme der Etatgestaltung hin: wie sich die Europäische Union finanziert. Gerade einmal ein gutes Zehntel des EU-Budgets speist sich aus Zolleinnahmen, und etwas weniger machen die Einnahmen aus einem Bruchteil der Mehrwertsteuer aus, die die Staaten lukrieren. Den größten Posten aber, mehr als zwei Drittel des Haushalts, bilden die nationalen Beiträge, die die Regierungen jährlich nach Brüssel überweisen.

Da um diese regelmäßig Zwist entbrennt, kehrt auch regelmäßig die Diskussion wieder, wie die Union selbst zu Einkünften gelangen könnte. Hätte die EU nämlich mehr Eigenmittel, würde das "peinliche nationale Feilschen" geringer ausfallen, wie es die Grüne EU-Abgeordnete Monika Vana formuliert. Das EU-Parlament fordert schon seit langem, dass sich die Gemeinschaft von den Zahlungen der Staaten unabhängiger macht.

Dafür gibt es mehrere Ideen. Eine davon war eine Steuer auf Finanztransaktionen, die aber am Widerspruch oder unterschiedlichen Vorstellungen der Länder bisher gescheitert ist. Die EU-Kommission hat gleich mehrere Vorschläge parat: Einnahmen aus dem Emissionshandel, eine Abgabe auf die Körperschaftssteuer und die Besteuerung von Plastikmüll. All dies würde nach Schätzungen der Brüsseler Behörde der Gemeinschaft Einkünfte in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr bringen.

Abgabe auf Plastikmüll

Kaum präsentiert, schon auf Widerspruch gestoßen: etwa der Plan der Kommission, künftig ein Fünftel der Einnahmen aus der Versteigerung der CO2-Zertifikate zur Finanzierung der EU zu verwenden. Das gefällt den Ländern kaum, die diese Einkünfte in ihre nationalen Budgets fließen lassen. Im Vorjahr waren das EU-weit immerhin an die 14 Milliarden Euro.

Ein anderes Vorhaben löst da schon mehr Sympathie unter den Staaten aus: die so genannte Plastiksteuer. Deren Einführung hatte auch Ratspräsident Michel in seinem jüngsten Etatentwurf angeregt. Er stellt sich eine Abgabe in Höhe von 80 Cent pro Kilogramm unrecycelte Kunststoffverpackung vor. Zusammen mit den möglichen Einnahmen aus dem Emissionshandel könnte das jährlich bis zu 15 Milliarden Euro einbringen.

Dennoch: Etliche Mitgliedsländer, darunter der größte Nettozahler, Deutschland, lehnen eigene Steuereinnahmen der Europäischen Union ab. Ihre nationale Hoheit in diesem Bereich wollen sie nämlich keineswegs aufgeben. Eine Änderung dieses Systems würde sich auch schwierig gestalten: Bei den meisten Steuerfragen müssen die Mitgliedsländer einstimmig entscheiden.