Bei drei EU-Agenturen geht es derzeit drunter und drüber.
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EBA, ERA, ESA; ASA, EFSA, EMSA - kein Auszählreim, sondern Kürzel ausgelagerter EU-Organisationen, die über ganz Europa verstreut sind. Brüssel leistet sich 45 derartige "Agenturen" und Dienststellen, die von Dublin bis Stockholm, von Warschau bis Lissabon ansässig sind. In Wien ist seit 2007 die Agentur für Grundrechte (FRA, EU-Agency for Fundamental Rights) daheim. Sie beschäftigt 112 Mitarbeiter und verfügt als eine kleinere EU-Filiale über 20 Millionen Euro Budget.
Es ist schwierig genug, die Kürzel auseinanderzuhalten (siehe Kasten). Noch komplizierter scheint es für die Brüsseler EU-Zentrale, den Haufen selbständig agierender Außenstellen zu kontrollieren. Kürzlich gerieten die Chefs von drei Agenturen ins Schussfeld interner Kritiker: Das Finanzgebaren der in Parma domizilierten Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der Europäischen Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in London soll so merkwürdig gewesen sein, dass sie für das Budget 2010 nicht entlastet und künftig strengen Kontrollen unterworfen werden.
Im Bericht, an dem die rumänische EU-Abgeordnete Monica Macovei mitgearbeitet hatte, ist von absurd hohen Ausgaben für Blumenschmuck zur Bürodekoration und offenbar dem Vergnügen dienenden Gruppenreisen in Destinationen wie die Bahamas die Rede. Die Rumänin fordert "drastische Kürzungen exzessiver Ausgaben". Obendrein habe es bei der Auftragsvergabe und Personalrochaden angebliche Scharlatanerien gegeben, deren Rechtmäßigkeit zu bezweifeln sei.
Catherine Geslain-Lanéelle, Direktorin der Lebensmittelbehörde, Jacqueline McGlade, ihre Kollegin bei der Umweltagentur, und Andreas Pott, Chef der Arzneimittel-Agentur, werden bis Ende Juni Argumente liefern müssen, dass sie mit EU-Geld sorgfältig umgegangen sind. Für José Manuel Barroso und seine Kommission ist Feuer am Dach. Brüssel hat nämlich eine Agentur nach der anderen ins Rennen geschickt - 2011 gleich sechs. Neben vier neuen Finanz-Aufsichtsbehörden mit Sitz in London, Paris und Frankfurt gingen die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) in Laibach und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in Malta an den Start.
Schon 2009 wurde die Arbeitsgruppe "Regulierungsagenturen" eingerichtet, in der Vertreter von Parlament, Rat und Kommission Verbesserungsvorschläge für Management, Finanzierung, Ressourcen, Rechenschaftspflicht und Kontrolle ausarbeiten sollten. Im Vorjahr hat sie der Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma eine Umstrukturierung verordnet.
Explosion bei EU-Zuschüssen
Der Umweltagentur wiederum wurde das Budget von 62 auf 41 Millionen gestutzt. Die Chemikalienagentur ECHA in Helsinki musste eine Mittelkürzung von 315 auf 234 Millionen Euro hinnehmen. Frontex in Warschau, für die "operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" zuständig, muss ihre Ausgaben von 118 auf 85,9 Millionen bremsen.
Dennoch wachsen etliche Agenturen: Jene für Flugsicherheit stockte ihr Personal zuletzt von 460 auf 523 Mitarbeiter auf. Bei den Flugsicherern stieg der Haushalt in zwei Jahren von 105 auf 150 Millionen Euro an. Dank eigener Einnahmen der Kölner Agentur muss die EU nur 35 Millionen zuschießen. In der Mehrheit der Fälle muss Brüssel aber naturgemäß allein für die Finanzierung aus Steuergeldern sorgen. Da die Budgets der 45 externen Dienststellen regelrecht explodiert sind - heuer werden sie weit mehr als zwei Milliarden Euro brauchen -, müssen sie mit rund 1,8 Milliarden subventioniert werden. Das Plus beträgt allein bei den sechs Exekutivagenturen neun Prozent. Das reicht für fast 10.000 gut bezahlte Planstellen, die als fachspezifische Think-Tanks auf 18 Staaten verteilt sind: Als Regulierungsbehörden befassen sie sich mit Materien wie dem Seeverkehr, Eisenbahnwesen oder Gleichstellungsfragen. Andere widmen sich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, sprich: Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Die EU hält sich obendrein Organisationen wie die 1960 ins Leben gerufene Euratom-Versorgungsagentur ESA und das gerade vier Jahre alte Europäische Innovations- und Technologieinstitut. Weiters stehen ein Satellitenzentrum, die mit Waffen-, Drogen- und Menschenhandel, aber auch Geldwäsche und Kinderpornografie befasste Justizbehörde Eurojust oder die "Seuchenbehörde" parat, die infektiöse Krankheiten wie Influenza, Sars oder HIV/Aids bekämpfen soll.
Die jüngsten Kalamitäten stellen das Netzwerk als Ganzes in Frage. Trotzdem plant Brüssel weitere Organisationen: Die jüngste ist die Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen, die (mit Verspätung) in Tallinn/Estland präsentiert wurde und im Dezember startklar sein soll. Fürs Erste kostet sie 20 Millionen Euro. Ein Backup-System mit Fahndungsdaten des Schengen-Infosystems wird es im rot-weiß-roten "Regierungsbunker" von St. Johann im Pongau geben, wo auch die Fingerabdrücke von Asylwerbern gespeichert sein sollen.