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Budapests Geschichtsumschreibung bei Nacht und Nebel

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Denkmal geplant, das Mitverantwortung im Zweiten Weltkrieg ausklammert.


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Budapest. Der Coup erfolgte, als die Ungarn wohl gerade den Sekt für Silvester kaltstellten: Am 31. Dezember 2013 erließ Ungarns Regierungskanzlei eine Verordnung, der zufolge ein Objekt zum "für die Volkswirtschaft außerordentlich wichtigen" Projekt erklärt wurde. Welches Projekt? Ein Denkmal. Es soll an den Einmarsch der deutschen Armee vom 19. März 1944 in Ungarn erinnern. Damit es nur ja keine öffentliche Diskussion darüber gibt, wurde der 3. Jänner 2014 als letzter Abgabetermin für den Entwurf festgelegt. Dies schaffte der Künstler Péter Parkány, bisher unter anderem Schöpfer eines Denkmals für den rechtsradikalen Schriftsteller Albert Wass.

Der Vorgang hat bei Ungarns Holocaust-Überlebenden, Historikern und Oppositionspolitikern große Empörung ausgelöst. Der Verband der Jüdischen Gemeinden Ungarns "Mazsihisz" drohte, die Zusammenarbeit mit der Regierung zu beenden. "Mazsihisz" ist Partner für ein anderes Prestige-Projekt des Ministerpräsidenten Viktor Orbán: das Holocaust-Gedenkjahr.

Das Denkmal ist höchst problematisch, weil es Ungarns Mitverantwortung für den Holocaust ausklammert. Laut Plan soll ein deutscher Reichsadler zu sehen sein, der im Sturzflug den Erzengel Gabriel angreift, welcher das unschuldige Ungarn verkörpert. Die Realität war aber eine andere: Ungarn, geführt von "Reichsverweser" Miklos Horthy (1868-1957), war seit langem mit Nazi-Deutschland verbündet, als Hitler Anfang 1944 beschloss, das Land zu besetzen. Berlin befürchtete damals, dass Ungarn wegen der drohenden Kriegsniederlage abtrünnig werden könnte. Zwar wurde Ministerpräsident Miklos Kallay (1887-1967) danach von der Gestapo als potenzieller Verräter verhaftet. Jedoch blieben neun Minister sowie Horthy im Amt, das Parlament tagte weiter.

Die Deportation der ungarischen Juden in Nazi-Konzentrationslager, die zum größten Teil im Sommer 1944 erfolgte, wäre ohne Hilfe des damaligen ungarischen Staats nicht möglich gewesen. Antisemitische Gesetze gab es in Ungarn zudem lange vor 1944.

Orbán hingegen will mit dem neuen Denkmal bekunden, dass Ungarn durch den deutschen Einmarsch seine Souveränität verloren habe.