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Budget fürs Hier und Heute

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Der Fokus auf die Pandemie ist verständlich. Aber es lauern noch größere Ungewissheiten.


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Es ist einigermaßen unmöglich, die Zukunftstauglichkeit des Budgets für 2021, das Finanzminister Gernot Blümel am Mittwoch im Nationalrat präsentiert hat, zu beurteilen. Die Probleme im Hier und Heute sind der Politik immer näher als Herausforderungen, die sich erst morgen oder übermorgen stellen - und womöglich am Ende sogar von ganz allein wieder verschwinden. Das passiert nur leider selten.

Diese Ungewissheit beginnt im ganz Großen und zieht sich bis in inhaltliche Details. So sind wir leibhaftige Teilnehmer eines monetären Großexperiments: Die Notenbanken in Europa und den USA suchen nach makroökonomischer Stabilität mit neuen Methoden und quasi unbegrenzter Liquidität. Deren langfristige Folgen vermag niemand mit Sicherheit vorherzusagen. Doch erst die offenen Geldschleusen der Europäischen Zentralbank ermöglichen es der EU und den Mitgliedstaaten, sich aus dieser Krise heraus zu investieren.

Wenn der Finanzminister sich also in seiner Rede überzeugt sieht, dass das für 2021 budgetierte Minus von 21 Milliarden Euro (nach rund 29 Milliarden für 2020) "teuer, aber leistbar" sei, dann stimmt das nur unter der Annahme, dass wir demnächst wieder zu "normalen Zeiten" zurückkehren und die Corona-Krise in Verbindung mit den Anforderungen einer umfassenden Klimaschutzpolitik keine bleibenden Verwerfungen in der Realwirtschaft hinterlässt. Und die geldpolitische Versuchsanordnung ein gutes, jedenfalls ein glimpfliches Ende findet. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Die weltweite Verschuldung wird heuer 100 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung von rund
83 Billionen Euro erreichen, Österreichs Schulden werden wieder auf mehr als
80 Prozent des BIP steigen.

Dabei ist die absolute Höhe
der öffentlichen Verschuldung kein so entscheidendes Kriterium. Wichtiger ist, was damit finanziert wird. Dabei geht es darum, die Bedürfnisse der Gegenwart mit den absehbaren Herausforderungen der Zukunft auszubalancieren.

Das erste ordnungsgemäße Budget der türkis-grünen Koalition schafft diese Balance passabel, was die Bewältigung der Pandemie und die jeweiligen Kerninteressen der Regierungsparteien, also Konjunktur und Klimaschutz, angeht. Ansonsten beschränken sich ÖVP und Grüne darauf, bestehende und neue Finanzlöcher zu stopfen. Geld hat in dieser Krise keinen Preis mehr.

Wer sich vom Budget, der in Zahlen gegossenen Politik einer Regierung, Antworten erwartet, wie strukturelle Probleme der Republik - allen voran Pensionen und Pflege sowie Steuern und Aufgabenreform - angegangen werden sollen, wird enttäuscht.