ÖVP macht Sparen zum Knackpunkt; doch aus eigenen Reihen droht Ungemach.
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Wien. Am Anfang von Koalitionsverhandlungen ist die Kernfrage: Was sind am Ende die Knackpunkte? Fixstarter im Tauziehen von SPÖ und ÖVP waren die Vermögenssteuern, die Gesamtschule und das Pensionsalter. Nun streben die Verhandlungen ihrem Höhepunkt entgegen - und nichts davon ist es geworden.
Neuer Knackpunkt ist ein solider Staatshaushalt bis 2018. "Ich gehe nur in eine Koalition, wenn die Maßnahmen für die Konsolidierung des Haushaltes klar sind", sagt ÖVP-Chef Michael Spindelegger recht technisch aber bestimmt. Die SPÖ-Steuerpläne für Millionäre lehnt die ÖVP vehement ab (die SPÖ könnte die Reichen-Steuern erst im Rahmen einer Steuerreform gegen Ende der Legislaturperiode fordern). Also weniger ausgeben und sparen. Da hat aber ausgerechnet die ÖVP-Kernklientel etwas dagegen.
Familien und Bauern böse
Dem Landwirtschaftsbudget sollen bis 2018 rund eine Milliarde Euro fehlen, berichtet das "dlz agrarmagazin". EU-Mittel aus dem Topf für "ländliche Entwicklung" muss Österreich mitbezahlen. Und dieser Topf hat offenbar große Löcher. Ob die Bauern eine Kürzung der Förderungen so einfach hinnehmen?
Nicht hinnehmen wollen die Familienverbände die eingefrorene Familienbeihilfe. Heute, Mittwoch, bringen alle Familienorganisationen gemeinsam einen Antrag auf Erhöhung der Familienbehilfe ein und starten eine Online-Petition. Die Erhöhung der Förderung, die paktiert war, hätte 250 Millionen jährlich gekostet. Doch sie wurde dem "Budgetloch" geopfert, als bekannt wurde, dass die erwartbaren Steuereinnahmen bis 2018 um 24 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurückliegen.
Nicht beim "Brot" sparen?
"Im Jahr 2000 konnte man um die monatliche Familienbeihilfe 57 kg Brot kaufen, knapp 14 Jahre später waren es nur mehr 35 kg. Warum das so ist? Im Gegensatz zu den Pensionen oder der Parteienförderung werden Familienleistungen nicht regelmäßig erhöht und verlieren ständig an Wert", schreibt der katholische Familienverband in eine mit vielen Rufzeichen versehene Aussendung. "Wir sind nicht gegen einen Sparkurs. Aber wir wehren uns dagegen, dass immer zuerst beim Zukunftsthema Nummer eins, den Familien, angesetzt wird." Bei der Familienpartei ÖVP müssen alle Alarmglocken schrillen. Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, dass die ÖVP die Erhöhung zu einem späteren Zeitpunkt paktieren möchte.
Doch damit macht sie die Schale der Budgetnuss, die zu knacken ist, nur dicker. Dieses "Mehr, mehr, mehr" zieht sich durch alle Verhandlungsgruppen, die unter dem Eindruck starker Lobbys ein Wunschkonzert angestimmt haben. Sparvorschläge sucht man vergeblich. Die Rechner der Finanzgruppe müssen nun mit einem Streichkonzert antworten, sagt ein Verhandler.
Doch damit ist noch nichts eingespart. Bleibt die seit Jahrzehnten versprochene -erraten - Verwaltungsreform. Eine eigene Untergruppe "Staatsreform" mit Andreas Khol sowie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl an der Spitze hat durchaus überraschende Beschlüsse getroffen, allen voran die geplante Verländerung der Lehrer. Angedacht ist auch eine Entwirrung von Doppelverantwortlichkeiten, etwa beim Vermessungs- und Eichwesen. Allerdings will der Bund dafür etwas nicht Unwesentliches, wie die "Wiener Zeitung" bereits vor zwei Wochen berichtete: ein Ende der Beteiligung der Länder an der EU-Gesetzgebung.
Der Plan zur Entwirrung der Kompetenzen bringt viel Arbeit, viel Streit mit den mächtigen Ländern und leider wenig fürs Budget: Die Einsparungsmöglichkeiten sieht Hans Pitlik, Verwaltungsexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, als "ziemlich ausgereizt" an. Ein paar Millionen Euro erwartet er dadurch. Ein Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst wäre ertragreich, doch der ist bereits in Kraft. Und eine weitere Nullrunde bei den Beamten, wie im Vorjahr, ist für die Gewerkschaft indiskutabel. Der öffentliche Dienst wird im kommenden Jahr daher eher teurer werden, nicht günstiger, auch der Ausbau der Ganztagsschule verlangt zusätzliches Betreuungspersonal - "mehr, mehr, mehr".
Förder-Dschungel
Doch war da nicht die schöne Geschichte von den Förderungen, die mit 15 Milliarden Euro ein Drittel über dem Durchschnitt anderer Länder liegen? Pitlik lässt auch diesen feuchten Budget-Traum von fünf Milliarden auf einen Schlag platzen. 500 Millionen Euro sieht er an Einsparungspotenzial. Denn zehn Milliarden sind keine echten Förderungen, sondern einseitige Ausgaben für Spitäler und ÖBB. SPÖ-Chef Werner Faymann will Mehrfachförderungen von Bund, Ländern und Gemeinden einstellen. Doch wo ansetzen? Die verschleppte Transparenzdatenbank hat den Förder-Dschungel noch kaum gelichtet.
Die Kernklientel der SPÖ hat schon vor dem Koalitionsmatch klargemacht, dass harte Einschnitte wie die Anhebung des gesetzlichen Frauenpensionsalters ein "No-Go" sind, deswegen kommt eine Minimalreform: die Anhebung des faktischen Antrittsalters auf 60,1 Jahre bis 2018. Mit viel Glück wird dadurch das neue Pensionsloch von 8,7 Milliarden Euro bis 2018 gestopft - von Einsparungen keine Rede.
Die SPÖ hofft, dass - wie in der Vergangenheit - die bestehenden Steuern stärker sprudeln als geplant. Und es gibt neuen Spielraum durch die niedrigen Zinsen auf die Staatsschulden. Doch was, wenn sie in ein paar Jahren wieder steigen und dann vor den nächsten Wahlen aus Angst vor den Wählern keine Einsparungen mehr möglich sind? Man wünscht den Verhandlern harte Zähne.