Was in der Therme Loipersdorf beschlossen wurde, war keineswegs durchdacht. Durch das Aushungern des Außenministeriums isoliert sich Österreich zunehmend.
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Zuerst vollmundig Unhaltbares versprechen, dann die Feigheit vor dem Wähler, schließlich ein Husch-Pfusch-Paket im steirischen Wellness-Center. Vollmundig: Verwaltungsreformen würden Steuererhöhungen überflüssig machen. Nichts davon wurde versucht, im Gegenteil, Josef Pröll meint auf die Frage, ob auch die Bundesschulen an die Länder übertragen werden sollen: "Da bin ich absolut dafür." Seit Jahrzehnten moniert die OECD, und nicht nur die, dass im föderalen Österreich Ausgaben-, Aufgaben- und Einnahmenverantwortung zu sehr auseinanderklaffen, und nennt als Musterbeispiel die Pflichtschulen: Der Bund zahlt, die Länder schaffen an. Nicht ein einziger Bildungs- oder Finanzpolitiker kann diesem miserablen "System" etwas abgewinnen; Erwin und Josef Pröll schon.
Feigheit: Vor den Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien legen SPÖ und ÖVP kein Bundesbudget für 2011 vor, mag die Bundesverfassung auch zehnmal bestimmte Fristen vorschreiben. Sie wollten wohl Angela Merkel kopieren, die vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen monatelang eine EU-Antwort auf die Griechenland-Frage blockiert hat. ÖVP und SPÖ scheinen übersehen zu haben, dass die CDU diese Landtagswahlen trotzdem verloren hat.
Husch-Pfusch in Loipersdorf: Unsereins glaubte ja - naiverweise -, dass in den Ministerien still und heimlich trotzdem über den Sommer die entsprechenden Vorbereitungen laufen. Weit gefehlt. Sonst hätte doch jemand zum Beispiel merken müssen, was es für Familien mit studierenden Kindern bedeutet, die Familienbeihilfe ab 24 Jahren zu streichen. Mit Kaskadeneffekten beim Kinderabsetzbetrag und Ähnlichem summiert sich das locker auf mehr als 2500 Euro netto pro Jahr und Kind, also ein gutes Mittelstandsmonatsgehalt. Und die 80 Millionen Euro "zusätzlich" für die Universitäten entpuppten sich umgehend als simpler Schmäh: Die im Mai beschlossene Kürzung im Bundesfinanzrahmen wurde zurückgenommen, aber bis 2014 erhalten die Hochschulen keinen Cent mehr. Wir haben Hannes Androsch und Gleichgesinnten zu danken, dass es mit dem Bildungsvolksbegehren nun ernst zu werden scheint. Ich hoffe, es nützt etwas.
Österreich isoliert sich. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wird das Außenministerium - insbesondere die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) - auf geradezu dramatische Weise ausgehungert. Die Kürzungen vom heurigen Mai wurden in Loipersdorf verdoppelt - kein anderes Ressort ist einem derartigen Kahlschlag ausgesetzt. Österreich benötigt eine hinreichende Außenrepräsentanz; mit diesem Budget ist sie ernsthaft gefährdet. Und von Entwicklungshilfe samt EZA, die einem wohlhabenden Land angemessen sind, verabschiedet Österreich sich endgültig. Nichts für die Entwicklung ärmerer Länder tun, aber gleichzeitig den Migrationsdruck wortreich beklagen - das hat man bisher nur von der FPÖ erwartet.
Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der Grünen. Jeden Dienstag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei. Der Kommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.