Hoher Beitrag für Familien, Pensionen werden aber erhöht. | Mazal: "Wirklich strukturelle Maßnehmen fehlen." | "Wiener Zeitung": Welches Signal ist die Kürzung der Familienleistungen im Sinne der Generationengerechtigkeit? | Wolfgang Mazal: Es ist klar, dass auch Familien einen Anteil an der Budgetsanierung erbringen müssen. Es fällt aber auf, dass sie einen sehr hohen Beitrag leisten, gleichzeitig aber die Pensionen erhöht werden. | Dossier: Budget 2011
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Aber es wird doch auch bei den Pensionen Abstriche geben, wenn auch leichte .. .
Wenn man die Volumina vergleicht, ist das marginal.
Tragen also die Familien die Hauptlast an der Budgetsanierung?
Das würde ich nicht sagen. Aber man muss bedenken, dass Familien typischerweise von jüngeren Menschen gegründet werden, die in unserer Gesellschaft ohnedies nicht zu den einkommensstärksten Gruppen zählen.
Ist das Pensionssystem langfristig gesichert?
Das ist eine Frage der Differenzierung. Langfristig halte ich die Pensionen für gesichert. Das heute zugesagte Niveau ist aber nicht langfristig haltbar. Es wäre besser, die Pensionen durch rasch greifende, langfristig wirkende Maßnahmen wieder auf ein leistbares Niveau zurückzuführen.
Ein leistbares Niveau würde mit Kürzungen einhergehen.
Es geht hier vor allem darum, nicht relativ jüngere Leute - also unter 60-Jährige - in vorzeitige Pensionen hineinzulassen. Das Problem ist, dass es jetzt laufend Neuzugänge gibt, die noch mehr als 25 Jahre lang relativ hohe Pensionsleistungen in Anspruch nehmen werden. Dadurch ist zu befürchten, dass die Pensionen für jene, die in den nächsten Jahren kommen werden, viel stärker abgesenkt werden müssen.
Welche langfristigen Auswirkungen hat die Kürzung der Familienleistungen?
Familien sind schon seit längerem unter gesellschaftlichem, aber auch finanziellem Druck. Bis ins Jahr 2001/2002 haben die Statistiken gezeigt, dass ein erheblicher Anteil der Familien mit zwei Kindern unter die Armutsgrenze rutscht. Man hat die Familienleistungen ausgeweitet, um diesen Effekt zu vermeiden. Mittlerweile besteht aber wieder die Gefahr, dass Familien in erheblichem Ausmaß unter die statistische Armutsgrenze rutschen. Die Gesellschaft sollte das Signal geben, dass Familiengründung nicht automatisch zu einer ökonomisch belastenden Situation führt. Genau in diese Richtung geht aber unsere Gesellschaft leider seit einigen Jahren - und die jetzigen Maßnahmen bestärken diese Sicht.
Ist das Budget für Sie ein großer Wurf?
Vieles ist nicht von heute auf morgen machbar, aber mir fehlen wirklich strukturelle Maßnahmen in vielfältigster Weise. Ich finde es gut, dass Arbeitsgruppen eingesetzt wurden, insbesondere für die Pflege. Beim Pensionsthema wurde zu wenig gemacht. Es geht nicht darum, dass man morgen alles reduziert, sondern darum, dass man endlich das System auf nachhaltige Schienen setzt. Es fehlen Themen der Verwaltungsreform. Auch da ist es gut, dass man eine Arbeitsgruppe einsetzt, aber die haben wir seit vielen Jahren. Von einem großen Wurf kann man nicht sprechen - es ist viel eher wiederum ein Versuch, einige Zeit über die Runden zu kommen.
Wolfgang Mazal (50) ist Arbeits- und Sozialrechtler und Präsident des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Fenster für Strukturreform schon halb zu