Karl verteidigt Ruf nach Zugangsregeln. | Festgefahrene Meinungen auf beiden Seiten. | Wien. Fast hat es so ausgesehen, als wären es mehr Journalisten als Studenten. Doch pünktlich am Donnerstag um 15. 30 Uhr hatten sich denn doch rund 350 Studierende im Wiener Semperdepot eingefunden. Dort - an der Akademie der bildenden Künste, wo vor 161 Tagen die Studentenproteste begonnen hatten - stellte sich Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) bei einer "Akademischen Fragestunde" auf Einladung der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) zum ersten Mal den Fragen der ehemaligen Audimax-Besetzer.
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Empfangen wurde Karl mit "Buh-" und "Pfui"-Rufen, auch die Diskussion selbst verlief emotional. Erbost waren die Studenten vor allem über Karls wiederholte Forderung nach Zugangsregelungen, damit würde sie "alles, wofür wir wochenlang gekämpft haben", ad absurdum führen.
Karl präzisierte, dass Zugangsbeschränkungen nur für überlaufene Massenfächer in Frage kämen. In den anderen könne sie sich freiwillige Eingangstests vorstellen, was aus dem Publikum mit hämischen Lachern quittiert wurde.
Studenten "zu dumm" für Studienwahl?
ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer von den Grünen und Alternativen Studenten warf Karl vor, die Studenten für "zu dumm" für die Studienwahl zu halten, was diese zurückwies. Es gehe ihr bei Eingangstests lediglich um eine Orientierung.
Martina Pfingstl, Senatsvorsitzende an der Bildenden und Teil der Protestbewegung, ortete Diskussionsverweigerung bei der Ministerin und drohte mit dem Ausstieg der Studenten aus den Arbeitsgruppen zum Hochschuldialog. Karl konterte, sie werde die Ergebnisse aus dem Dialog ernst nehmen.
Auf ihre konkreten Ziele angesprochen, meinte die Ministerin, sie wolle Richtlinien für die Reparatur der Studienpläne, die durch die mangelhafte Umsetzung der Bologna-Struktur (Bachelor und Master) gelitten hätten, entwickeln. Die Studenten waren damit freilich nicht zufrieden: Sie forderten lautstark die Abschaffung der Bologna-Struktur.
Bereits vor dem Gespräch hatte eine Gruppe von Bologna-Gegnern das Publikum mit einem Demo-Workshop (wie streike ich richtig im Sitzen?) angeheizt. Kommende Woche, im Rahmen der internationalen Bologna-Jubiläumskonferenz in Wien, sind "massenhafte friedliche Menschenblockaden" geplant.
Fazit der lang erwartenden Veranstaltung: Festgefahrene Meinungen auf beiden Seiten und eine Studierendenbewegung, die sich offensichtlich über die Gelegenheit freute, sich für die kommenden Proteste aufzuheizen. So sorgte ein Student, der die Ministerin gegen Ende des Gesprächs offen zum Rücktritt aufforderte, für tosenden Applaus.
Wissen: Die Forderungen der Studenten
(kats) Die (ehemals) protestierenden Studenten sind in das Gespräch mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl mit ihren bekannten Forderungen hineingegangen. Der Katalog der Uni Wien umfasst:
* Antidiskriminierung: Die Studenten fordern eine Frauenquote von 50 Prozent in allen wissenschaftlichen Bereichen und die Abschaffung der doppelten Studiengebühren für Drittstaatsangehörige.
* Demokratisierung: Der Universitätsrat soll abgeschafft, die Befugnisse des Rektorats beschnitten und dafür die Stellung der vier Kurien (Studenten, Professoren, Mittelbau und allgemeines Uni-Personal) aufgewertet werden.
* Keine Ökonomisierung der Bildung: Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen sollen abgeschafft, alle Bildungseinrichtungen ausfinanziert werden.
* Selbstbestimmtes Studieren: Die Protestbewegung will die Studieneingangsphasen abschaffen und die großteils gestrichenen freien Wahlfächer wieder einführen.
* Geschichtliche Aufarbeitung: Gefordert wird unter anderem die "Erhaltung, die Förderung und der Ausbau kritischer und emanzipatorischer Forschung und Lehre".
Der viel kritisierte Bologna-Prozess, gegen den die Studenten während der Bologna-Konferenz kommende Woche eine Großdemonstration planen, fand keinen Eingang in den Forderungskatalog.