Die Gunst des "kleinen Mannes" ist heftig umworben. Vor allem SPÖ und Freiheitliche sehen hier ihre politische Klientel. Nicht zuletzt in der Debatte rund um die Pensionsreform wurde dies einmal mehr deutlich. Während die SPÖ die Reform aus der Opposition heraus als "Pensionskürzungskonzept", das vor allem auf Kosten der Schwachen gehe, bekämpft, will die FPÖ - nach Einigung mit dem Koalitionspartner ÖVP - wieder Profil als Beschützer der "Hacklern" gewinnen.
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Erfolge wollen verkauft werden. Also trat gestern, Donnerstag, die FPÖ-Spitze an, um zu wiederholen, was sie schon am Vortag bei der Nationalratsdebatte über die Pensionsreform verkündet hatte: Die erreichten sozialen Abfederungen seien ihr Verdienst und der vorliegende Entwurf "sozial und gerecht mit freiheitlicher Handschrift", erklärte Staatsekretärin Ursula Haubner. Deutlich zeige sich diese Handschrift darin, dass nun "Maßnahmen zum Schutz für die kleinen und fleißigen Pensionsbezieher" erzielt wurden.
Genau diese sieht nämlich Vizekanzler Herbert Haupt als seine und der FPÖ besondere Zielgruppe, für die er "als 10-Prozent-Partei mehr nach Hause gebracht hat als sozialistische Minister in sozialistischen Regierungen". Vor allem der Finanzminister musste "sehr nachgeben", wie Haupt in diesen Tagen niemals vergisst hinzufügen. Überhaupt fällt auf, dass Karl-Heinz Grasser seit seinem Wechsel von der FPÖ in das Team von Bundeskanzler Schüssel zum Lieblingsgegner seiner ehemaligen Parteifreunde wurde. Vor allem das Herz für die "kleinen Leute" vermissen diese seitdem an ihm und seiner Politik.
Ganz anders stellt sich die Situation aus Sicht der SPÖ dar, die sich ebenfalls dieser Klientel verschrieben hat. Die Lorbeeren für die Änderungen will man hier der FPÖ nicht gönnen. Um dies auch öffentlich zu untermauern, trat auch SP-Chef Alfred Gusenbauer am Donnerstag vor die Presse und verkündete: "Die FPÖ ist bei allen ihren Forderungen umgefallen", weshalb der Verdienst für die Änderungen allein der Gewerkschaft gebühre. Deren Streiks hätten erst die Regierung zum Einlenken gezwungen. Dies zeigt sich für den SP-Chef auch daran, dass es zu keinen Änderungen gegenüber dem Vorschlag der Regierung an die Sozialpartner mehr gekommen sei - und dies, obwohl die FPÖ seitdem noch zahlreiche Forderungen - etwa die Ausnahme für Bezieher von Pensionen unter 1.000 Euro - gestellt habe. Deshalb ist "die Zustimmung der FPÖ aus dem erreichten Verhandlungergebnis nicht ableitbar." Dahinter müsse etwas anderes stecken, mutmaßt er geheimnisvoll. Was, wollte er dann aber auch auf mehrmaliges Nachfragen hin nicht näher erläutern.
Dieser Kampf um die Stimmen der Arbeiter ist nicht neu. Schon seit den 90er Jahren rittern SPÖ und FPÖ darum. Bei den Wahlen 1999 gelang es der FPÖ sogar, die SPÖ in diesem Segment zu überholen und zur "neuen Arbeiterpartei" zu werden. Und trotz der herben Verluste 2002 (Minus 16 Prozent) ist die FPÖ hier nach wie vor überdurchschnittlich vertreten.
In diesem Wählerteich sieht die FPÖ jetzt auch wieder die größten Chancen, verlorene Wähler zurückzugewinnen. Und das macht sie eben zum "natürlichen Gegner" der SPÖ. Aber auch vor zweckdienlichen Koalitionen scheuen beide nicht zurück, wie das gemeinsame Spargelessen von Gusenbauer und Jörg Haider gezeigt hat. Der gute Zweck für den "kleinen Mann" heiligt eben die Mittel, wie beide sinngemäß argumentierten.