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Bulgarien droht Strafe aus Brüssel

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Chaos in der Verwaltung und Korruptionsfälle. | Sofia könnten Unsummen entgehen. | Brüssel. Obwohl Bulgarien seit eineinhalb Jahren ein Mitgliedsland der Europäischen Union ist, erfüllt es weiterhin in vielen Bereichen nicht die EU-Standards. Das könnte für das ärmste EU-Land jetzt teuer werden, wie aus einem Entwurf eines Fortschrittsberichts der EU-Kommission hervorgeht, der am Mittwoch präsentiert werden soll. Fast eine Milliarde Euro Vorbeitrittshilfen hat die EU bereits eingefroren, die Auszahlung künftiger Fördergelder in zweistelliger Milliardenhöhe sei gefährdet. Bulgarien könne "wegen der kritischen Schwäche seiner administrativen und rechtlichen Kapazitäten auf lokaler, regionaler und zentraler Ebene nicht alle Vorteile der Hilfsgelder genießen", heißt es in dem Papier, das der "Wiener Zeitung" vorliegt.


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Die öffentliche Verwaltung leide an "großer Personalfluktuation, unattraktiven Gehältern, die Gelegenheit zur Korruption schaffen, und veralteten Prozeduren." Besonders die mangelnde Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug sowie der de facto nicht unabhängige Rechnungshof und die ebenso wenig unabhängigen Agenturen, welche die EU-Gelder verwalten, verursachten "ernste Sorge." Hochrangige Korruption und organisiertes Verbrechen verschlimmerten diese Probleme noch.

Die EU-Kommission fordert Bulgarien laut dem Entwurf auf, dringend zu handeln, um nicht dauerhaft EU-Förderungen zu verlieren. Denn für einige der eingefrorenen Gelder laufen die Fristen für die Beantragung aus: Das betrifft vor allem die Vorbeitrittshilfen zum Aufbau der Infrastruktur, von denen rund 610 Millionen Euro derzeit nicht ausbezahlt werden können. Denn die EU-Kommission hat den beiden Verwaltungsagenturen wegen "zahlreicher Unregelmäßigkeiten, dem Verdacht auf Betrugsfälle und Interessenskonflikten zwischen dem Agenturpersonal und den Auftragsempfängern" die Lizenz entzogen. 250 Millionen Euro davon wurden noch nicht einmal beantragt, im Herbst wären sie für immer verloren.

Kontroll-Defizite

210 weitere Millionen für die Landwirtschaft können nicht ausbezahlt werden, weil etwa ein zuständiger Beamter "unrechtmäßig Projekte bestätigt" hat und die Kommission "ernste Defizite im Kontrollsystem" entdeckt hat. 144 EU-Millionen für den Straßenbau wurden ebenfalls eingefroren. Grund: Der Direktor der zuständigen bulgarischen Stelle vergab Aufträge an die Baufirma seines Bruders, zwei weitere hohe Angestellte wurden wegen Annahme von Bestechungsgeldern inzwischen verhaftet. Diese Beträge sind aber nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was Bulgarien an künftigen Fördermitteln verlieren könnte: So sind etwa elf Milliarden Euro bis 2013 für die Landwirtschaft vorgesehen, knapp sieben Milliarden aus dem Topf für Strukturförderungen und 1,2 Milliarden vom Europäischen Sozialfond.

Positiv wird in dem Papier der EU-Kommission immerhin die jüngste Regierungsumbildung und insbesondere die Einsetzung von Vizepremierministerin Meglena Plugtschiewa erwähnt. Sie wurde mit der Verwaltung der EU-Mittel und der Bekämpfung der Korruption betraut. Die Kommission hat noch keine Entscheidung getroffen, betonte Kommissionssprecher Johannes Laitenberger

Kritisiert sollen am Mittwoch auch die mangelnden Fortschritte in Rumänien werden, unmittelbare finanzielle Folgen werden hier nicht erwartet. Keine Sanktionen soll es auch wegen der immer noch nicht ausreichend unabhängigen Justiz und Korruption in beiden Ländern geben, über die ein gesonderter Bericht präsentiert wird.