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Bundesbahn-Blues

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Verkehrsministerin Doris Bures meint also, die unter der schwarz-blauen Regierung beschlossene ÖBB-Strukturreform wäre verantwortlich für den traurigen Zustand der Bundesbahnen. Der neue Chef der ÖBB, Christian Kern, fand deutliche Worte: Praktisch in jedem Unternehmensbereich rinnt Geld unkontrolliert hinaus.


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Bures hat weitgehend recht mit ihrer Analyse. Die 2003 erfolgte Zerteilung der ÖBB sollte die uneingeschränkte Macht der "SPÖ-Hochburg" brechen und die Zahl der "roten Betriebsräte" reduzieren. Dass der in diese Struktur hineingeholte ÖBB-Chef Martin Huber mit waghalsigen Spekulationsgeschäften letztlich 300 Millionen Euro versenkte, macht die Sache nicht besser.

Bures vergisst aber zu erwähnen, dass seit mehr als drei Jahren sozialdemokratische Minister das Verkehrsressort leiten. Viel passiert ist seither nicht, außer das Top-Management abzuberufen und die Spekulationsverluste zu reduzieren.

Ob der forsch auftretende neue Generaldirektor Kern seinen Worten Taten folgen lassen kann, ist längst nicht sicher. Er müsste die Struktur ändern (aus selbständigen ÖBB-Gesellschaften weisungsabhängige Tochterfirmen machen), das Dienstrecht ändern und der Politik überteuerte Investitionsprojekte zurückgeben - etwa den Koralmtunnel. Das ist ziemlich viel, geschafft hat es jedenfalls bisher kein ÖBB-Vorstand. Für Kern spricht der tatsächlich schlimme Verlust des Unternehmens - auch wenn der Güterverkehr beileibe nicht so verzweifelt dasteht, wie es Kern darstellt.

Die Politik ist nun erneut gefragt. Bei der anstehenden Liberalisierung werden sich private Eisenbahngesellschaften um die lukrativen Strecken (etwa Wien-Salzburg) bemühen. Wenn den ÖBB übrig bleibt, wenig befahrene Strecken in ländliche Gebiete zu betreiben, wird der Verlust wohl noch größer. Und wenn die Länder sich weigern, die Nebenbahnen zu finanzieren, dann wird - nach dem Rückzug der Post - die Infrastruktur außerhalb der Ballungsräume noch weiter ausgedünnt. Bures Eigendefinition ist die eines Sanierers der Bahn. Das sollte doch eher der neue Bahnchef machen. Die Ministerin sollte sich auf eine möglichst kluge Verkehrspolitik konzentrieren, und mit ihr die gesamte Bundesregierung. Das würde reichen. Ist aber viel verlangt, zugegeben.