Das Innenministerium schließt Grenzkontrollen und Assistenzeinsatz nicht aus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Sie kommen mit Taxis, privaten PKWs, in Vans gepfercht, mit der Bahn oder zu Fuß über die österreichische grüne Grenze: Flüchtlinge, die es auf ihrer beschwerlichen Flucht aus dem Kriegshorror in Syrien oder dem Irak bis nach Ungarn geschafft haben und nun ihre finale Destination Österreich ansteuern. An einem einzelnen starken Tag haben die Beamten des Innenministeriums, die gegen das Schlepperwesen kämpfen, in einem Tag auf der Zugverbindung Wien-Budapest 250 Personen aufgegriffen.
Balkan statt Mittelmeer
Ungarn verzeichnete 50.000 Asylanträge in den ersten fünf Monaten. "80 Prozent davon ziehen weiter", sagt Hilbert Karl, Leiter der Abteilung Asyl und Fremdenwesen, bei einem Hintergrundgespräch im Innenministerium. Nicht in die Slowakei, nach Tschechien oder Slowenien, sondern nach Österreich. Es sind Hunderte pro Tag. Auf diese Balkanroute hat sich der Flüchltingsstrom verlagert. Kamen 2014 noch 54 Prozent über die tödliche Mittelmeerroute und Italien, waren es 2015 bisher 36. Mehr als die Hälfte erreichte Österreich über Ungarn.
Das führt dazu, dass die Zahl der Asylwerber in Österreich mit rund 30.000 Personen bereits das Niveau von 2014 erreicht hat und auf 70.000 zusteuert. Obwohl in Ungarn die wenigsten bleiben, plant Premierminister Viktor Orban einen 150 Kilometer langen, 4 Meter hohen Zaun an der serbischen Grenze. Und auch in Österreich ist die offene Grenze zu Ungarn nicht in alte EU-Grenzsteine gemeißelt. "Es hängt von der weiteren Zahl der Asylanträge ab und der Frage, wie stark die EU-Außengrenze gesichert wird - die ist nur so sicher wie das schwächste Glied. Als letztes Mittel sind Grenzkontrollen nicht auszuschließen und dann kann man auch den Assistenzeinsatz als Variante wieder überlegen", sagt Günter Schnittler, Leiter des Referats Grenzdienst auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Den habe es immerhin 20 Jahre gegeben.
"AssE"
Beim Assistenzeinsatz half das Bundesheer, die Grenze zum ehemaligen Ostblock zu sichern. Nach der Wende 1990 hielt die Politik das für nötig, weil noch unklar war, wie sich die Sicherheitslage in den Nachbarländern entwickeln würde. Die Soldaten informierten die Polizei, wenn sie auffällige Beobachtungen machten oder illegale Grenzübertritte mit ihren Nachtsichtgeräten entdeckten. Der von den Burgenländern liebevoll genannte "AssE" hielt sich sogar noch, als Ungarn, Tschechien, Slowakei und Slowenien längst in der EU waren. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl begründete die umstrittene bis belächelte Maßnahme mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Nun könnte das Bundesheer in den realen Kampf gegen die immer besser organisierte Schlepperkriminalität erneut eine Aufgabe bekommen.
200 Euro Grenzsteuer
Der Kampf gegen Schlepper richte sich nicht gegen Asylwerber oder Einzelpersonen, stellt Schnittler klar. Menschen, die Asylwerbern unwissentlich über die Grenze helfen, kämen ungestraft davon. Jene, die es wissentlich tun aber ohne Profit, müssten mit einer Verwaltungsstrafe von 200 Euro rechnen. Es gehe gegen organisierte Banden, die Profit machen und von denen es mittlerweile Hunderte entlang der Balkanroute gebe.
Pro Person kassieren die Schlepper 2500 bis 4000 Euro. Für eine Familie aus Syrien bis zu 40.000 Euro. Es kommt nicht zuletzt darauf an, ob man im vergleichsweise komfortablen Privat-PKW oder zusammengepfercht im Kühltransporter geschleppt wird (Damit die "Ware", wie es im Schlepperjargon heißen soll, "nicht verdirbt"). Von Ungarn aus würde der organisierte Grenzübertritt 200 bis 400 Euro kosten. Zunehmend setzen Schlepper dabei auf stink normale PKW mit unauffälligen deutschen Kennzeichen oder auf Leihautos, falls sie erwischt werden und so nicht das eigene Auto konfisziert wird.
In der grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit der Polizei bezeichnen die Beamten Serbien als wichtigsten Partner. Auch die Griechen würden nach Tipps aus Österreich immer wieder Menschen verhaften. Kritik äußern sie hingegen - was den Kampf gegen Schlepper betrifft - an der Türkei.
Vier Länder als Asyl-EU
Karl glaubt nicht, dass der Zustrom verebben wird. Denn schon entfallen fast 50 Prozent der Asylanträge auf Österreich, Deutschland, Schweden und Ungarn. Dass Beamte Asylwerber auf dem Weg in ihre Zielländer nicht festhalten, könne man ihnen nicht vorwerfen. Denn wo es schon eine Community z.B an Syrern gebe, würde es weitere hinziehen. Wo sich hingegen keine Community gebildet habe, wie in Tschechien oder der Slowakei, falle der Anreiz weg, hinzugehen. So wurde die Schweiz als Zielland Nummer 1 von Eriträern, die in großer Zahl aus ihrem ostafrikanischen Land flüchten. Nach Österreich verschlägt es kaum Bürger von dort.