Entscheidung über österreichische Beteiligung im Oktober. | Menschen im Tschad sind ständig von Gewalt bedroht. | Wien/NDjamena. An einem Einsatz österreichischer Truppen im Tschad wird intensiv gearbeitet. Verteidigungsminister Norbert Darabos und Außenministerin Ursula Plassnik hielten gestern, Mittwoch, einen Vortrag vor dem Ministerrat, "der vom positiven Geist für die Tschad-Mission erfüllt war", wie Darabos-Sprecher Stefan Hirsch sagte. Und der Generalstab des Bundesheeres wurde bereits beauftragt, ein Konzept für eine österreichische Beteiligung an der EU-Mission im afrikanischen Land zu erarbeiten. Es werden nun weitere Gespräche auf Regierungsebene stattfinden. Eine endgültige Entscheidung über eine österreichische Beteiligung an dem Einsatz soll noch im Oktober fallen.
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Der UN-Sicherheitsrat hat bereits der Entsendung einer europäischen UN-Truppe für den Tschad und der Zentralafrikanischen Republik zugestimmt. Diese soll bis zu 4000 Mann umfassen und die in der Region tätigen Hilfsorganisationen unterstützen, Flüchtlinge schützen und beim zivilen Wiederaufbau helfen.
Österreich würde voraussichtlich mit bis zu 100 Mann an dem Einsatz im Tschad teilnehmen, der Anfang nächsten Jahres beginnen soll. Einerseits soll das österreichische Heer im Sanitätsbereich zum Einsatz kommen, andererseits soll ein Jagdkommando entsandt werden. Dieses wäre direkt für den Schutz von Flüchtlingen und Hilfsorganisationen zuständig. Die österreichische Mannschaft würde alle vier Monate gewechselt werden.
Auch andere Länder wie Schweden, Finnland oder Polen haben bereits deutlich ihre Bereitschaft signalisiert, an der Mission teil-zunehmen. Das Kommando für den auf ein Jahr anberaumten Einsatz soll Irland übernehmen. Initiiert wurde die Mission von Frankreich, das bereits Truppen im Tschad stationiert hat und mit 1500 Soldaten den Großteil des Kontigents stellen wird.
Das Engagement Frankreichs rief am internationalen Parkett kritische Stimmen hervor: Diese meinen, Paris wolle mit der Mission den autoritär regierenden Idriss Déby stützen und sich somit Ölgeschäfte im Tschad sichern. Im Verteidigungsministerium teilt man diese Bedenken nicht und betont den humanitären Charakter der Mission. Es ginge für die EU darum, Flüchtlinge zu unterstützen und Verantwortung für Stabilität in Afrika zu übernehmen, heißt es aus dem Büro von Darabos.
Es ist jedenfalls eine heikle Mission, auf die sich die EU vorbereitet. So warnt das UN-Flüchtlingshochkommissariat vor einem Anstieg der Gewalt rund um die Flüchtlingscamps an der Grenze zur sudanesischen Krisenregion Darfur. So würden Scharmützel zwischen ethnischen Gruppen um Ressourcen in dem kargen Gebiet und Kriminelle die Menschen im Ost-Tschad bedrohen.
Gefahr von Rebellen
Neben 240.000 Flüchtlingen aus Darfur gibt es derzeit im Tschad 170.000 Menschen, die nach Kämpfen zwischen Regierung und Rebellen im eigenen Land vertrieben wurden. Nun hat die Regierung zwar - auch im Angesicht des bevorstehenden EU-Einsatzes - mit fünf Rebellengruppen ein Friedensabkommen geschlossen. Wie weit dieses eingehalten wird, muss aber abgewartet werden. Viele militärische Punkte - wie die Entwaffnung der Rebellen - seien noch ungeklärt, warnt der Anführer der aufständischen Bewegung Versammlung der Kräfte für einen Wandel, Timane Erdimi. Sollten die Kämpfe neu aufflammen, stünde die EU-Truppe plötzlich zwischen den Fronten.
Bei den derzeitigen Friedensbakommen sollen die Rebellenführer, die einem Waffenstillstand zustimmen, in die Regierung eingebunden werden. Francois Grignon von der renommierten International Crisis Group äußert die Sorge, dass sich somit nichts am Hauptproblem des Tschad ändert: Dass die bitterarme Bevölkerung von den Machthabern ignoriert wird. Er fordert daher im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die militärische Mission der EU von "einem glaubwürdigen politischen Prozess" begleitet wird, in dem es darum geht "wie Macht und Ressourcen verteilt werden". Sonst blieben die Unzufriedenheit und die Gefahr von Aufständen und Gewalt bestehen.
Und auf einen zusätzlichen entscheidenden Punkt verweist Grignon. Die Mission im Tschad soll die UN-Friedenstruppe in Darfur (siehe Artikel unten), für die 26.000 Mann vorgesehen sind, ergänzen. Die beiden Missionen müssten effizient kooperieren und ständig Informationen austauschen, sagt Grignon. Denn die Gefahr für den Tschad geht oft vom Sudan aus und umgekehrt. Die beiden Länder werfen sich gegenseitig vor, Rebellen Unterschlupf zu gewähren. Und schon öfters drangen die sogenannten Janjaweed, arabische Reitermilizen aus dem Sudan, in den Tschad vor und haben Flüchtlingslager überfallen.
Die EU-Truppen können jedoch höchstens die Flüchtlingscamps und Hilfsorganisation schützen, aber die Reitermilizen nicht aktiv an einem Eindringen in das Territorium des Tschad hindern. Der Grenzschutz gehört nicht zum Mandat des Einsatzes, sondern wird von tschadischen Sicherheitskräften übernommen.
Verzahnung mit Darfur
Die Mission im Tschad soll jedoch einheimische Sicherheitskräfte ausbilden und Voraussetzungen schaffen, dass die Flüchtlinge wieder in ihre Heimatstätten zurückkehren. Auch hier wird viel von der Entwicklung in Darfur und dem Erfolg der dortigen Mission abhängen.
In Darfur lassen sich jedoch derzeit wenig Anzeichen für eine Entschärfung des Konflikts finden. Ganz im Gegenteil: Anfang der Woche berichtete die UNO, dass der Ort Haskanita vollständig niedergebrannt wurde. Rebellen beschuldigten mit der Regierung verbündete Milizen des Angriffes und sprachen von 105 Toten. Zudem wurden erst kürzlich zehn Soldaten der derzeit in Darfur stationierten Mission der Afrikanischen Union getötet. Hilfsorganisationen beklagen vermehrte Übergriffe und drohen, ihre Mitarbeiter abzuziehen.
Für viele internationale Beobachter ist daher ein internationaler Einsatz dringlicher denn je. Denn wegen all der Gefahren, die sowohl im Tschad als auch noch mehr in Darfur drohen, könnte es passieren, dass sich Hilfsorganisationen wegen der Gewalt zurückziehen. Und die Flüchtlinge wären ihrem Schicksal überlassen.
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