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Bundespräsident - ein einzigartiges Amt

Von Manfried Welan*

Politik

Der österreichische Bundespräsident ist von der Bundesverfassung als ein gar sonderliches Amt konzipiert. Nicht nur die Hofburg erinnert an den Kaiser - auch so manche seiner Kompetenzen tun dies. Und trotzdem ist der Bundespräsident kein Kaiser der Republik.


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Er vertritt die Republik nach außen und darf allein völkerrechtlich verbindliche Erklä-rungen für Österreich abgeben. Damit hat er eine besondere internationale Aufgabe. Seine zahlreichen Zuständigkeiten sind durch die Bundesverfassung geregelt. Sein Aufgabenkreis ist so von Kontinuität und Stabilität geprägt. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben bewegt er sich in Hinordnung auf alle drei klassischen Staatsgewalten.

In Hinordnung auf die Gesetzgebung beruft er den Nationalrat ein, beurkundet das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze, ordnet Volksabstimmungen an, kann Nationalrat und Landtage auflösen und hat ein Notverordnungsrecht. Im Bereich der Verwaltung stehen ihm zu: Ernennung, Entlassung und Enthebung der Regierung, die Ernennung von höheren Funktionären des Bundes, Schaffung und Verleihung von Berufs- und Amtstiteln, besondere Befugnisse in Personalangelegenheiten, Oberbefehl und Verfügungsrecht über das Bundesheer. In Bezug auf die Gerichtsbarkeit ernennt er Richter, begnadigt in verschiedenen Bereichen, schlägt strafgerichtlicher Verfahren nieder und exekutiert Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes.

Kein Kaiser der Republik

Wie ein Wasserzeichen schimmert der Kaiser durch die Zuständigkeiten. Das Amt hat Noblesse. Das Protokoll stattet es mit dem höchsten Rang aus. Aber im Gegensatz zum Kaiser, der nach der Verfassung "geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich" war, ist der Bundespräsident mehrfach verantwortlich. Er ist kein Kaiser in der Republik. Vielmehr ist er als vom Volk gewählter, rechtlich gebundener, politisch und rechtlich verantwortlicher Amtsträger, der Gegensatz zur Monarchie. Er macht Republik.

Die Verfassung schützt den Titel Bundespräsident. Er darf von niemandem anderen geführt werden. Auch frühere Amtsträger dürfen ihn nicht führen.

Der Bundespräsident ist der Einzelne im Regierungssystem. Er hat kein eigenes Ge-genüber. Er hat keinen eigenen Vertreter. Er ist weder Teil des Parlaments noch Teil der Regierung, die über die politische Mehrheit eine Einheit bilden. Er ist etwas Besonderes. Durch ihn und die Unvereinbarkeit des Amtes wird die Gewaltenteilung in der obersten Vollziehung auf die Spitze getrieben. Er ist von der Verfassung als direkte Spitze des Volkes in die oberste Vollziehung gestellt. Parlament, Regierung und Präsident sind durch Vertrauens- und Verfahrensregelungen verbunden. Sie sind durch Abhängigkeiten aufeinander ver- und auf Zusammenarbeit angewiesen. Der Präsident kann in der Regel nur über Vorschlag und unter Gegenzeichnung agieren. Aber die Regierung ist auf ihn angewiesen. In diesem Zusammenwir-ken ist der Bundespräsident wirksame Kontrolle.

Die Wahl durch das Volk macht ihn zum einzigen, der die Republik als Einheit reprä-sentiert. Auch wenn er kontrolliert, soll er nicht polarisieren, sondern durch Anstand und Abstand integrieren.

Nur in Wien zuhause

Der Beitritt zur EU hat das Verhältnis von Bundesregierung und Bundespräsident verändert. Bundeskanzler und Bundesminister wurden zu potenzierten Organen. Sie sind in die EU integriert, er ist von ihr isoliert. Sie haben in Brüssel ihr zweites Zuhause gefunden. Er ist nur in Wien Zuhause. Bundespräsident Klestil wollte zwar nach dem Beispiel des französischen Staatspräsidenten im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs sein. Aber obwohl De Gaulle einmal gesagt haben soll, dass der französische Staatspräsident nach dem österreichischen Modell entworfen worden sei, blieb dem Bundespräsidenten der Rat versperrt. Der Bundeskanzler hatte für seine Mitgliedschaft die besseren Argumente der Staatsjuristen für sich und wurde durch den Beitritt zum Regierungschef aufgewertet. Der Bundespräsident steht wie viele seiner Kollegen in den EU-Mitgliedsstaaten draußen vor der Tür. Mit der Transformation der Souveränität des Staates wurde auch die Organsouveränität von Bundeskanzler und Bundespräsident wesentlich verändert. Jener wurde auf- und dieser abgewertet. Je mehr Kompetenzen die EU und ihre Organe erhalten, desto mehr setzt sich dieser Prozess fort.

Das kann politische Konsequenzen haben. Als einziger direkt gewählter der obersten Vollziehung, als einziger, der dem Volk politisch verantwortlich ist, als einziger, der die Republik als Ganzes repräsentiert, und vor allem als einziger, der nicht in die EU-Organisation integriert ist, hat der Bundespräsident ein nationalpolitisches Profil und nicht ein supranationales. Er hat eine besondere nationale Aufgabe: Er repräsentiert die Republik nicht in der EU, sondern gegenüber der EU. Damit ist auch hier eine besondere Gewaltenteilung gegeben: Indem er der EU als Staatsoberhaupt eines Mitgliedsstaates gegenübersteht und - durch Volkswahl legitimiert - die Republik repräsentiert, kann er kritisieren und kontrollieren.

* Manfried Welan ist em. Univ.-Prof. f. Verfassungsrecht an der BOKU Wien.