Bundespräsident Heinz Fischer erklärt im Interview, warum ihm die Zustimmung zum Atomabkommen leicht fällt.
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"Wiener Zeitung": Herr Bundespräsident, glauben Sie, dass der am 14. Juli erzielte Atom-Deal zwischen dem Westen und dem Iran implementiert und zu mehr Sicherheit in der Region beitragen wird - oder wird es ein atomares Wettrüsten geben?
Heinz Fischer: Das, was Sie als Deal bezeichnen, ist das Ergebnis von sehr langen, sehr komplizierten und sehr schwierigen Verhandlungen. Ich glaube, dass etwas erreicht worden ist, das man nach eingehender Prüfung als sehr positiv bezeichnen kann. Positiv für die Region, positiv für die Staaten außerhalb der Region und positiv in Bezug auf bessere Chancen und auf Stabilität und eine Vermeidung von Atomwaffen im Iran.
Dennoch stand die Einigung bis zuletzt auf Messers Schneide...
Es war kompliziert, weil sowohl die westlichen Staaten als auch der Iran mit "Roten Linien" und Prinzipien in die Verhandlungen gingen. Es ist dann bei den von vielen Experten begleiteten Verhandlungen gelungen, eine Lösung zu erzielen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Die Tatsache, dass der Iran, die USA, Russland, China, die EU und die UNO das Ergebnis in Summe als positiv bewerten, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Ergebnis wertvoll ist. Jetzt geht es aber um die Umsetzung des Deals. Dabei wird auch die weitere Praxis wichtig sein. Entscheidend ist, dass alle Vertragspartner die Vereinbarung auch umsetzen, und dafür gibt es Kontrollmechanismen. Aber lassen Sie mich noch sagen, dass mir die Zustimmung zum Verhandlungsergebnis als österreichischer Politiker deshalb leicht fällt, weil die Alternativen sehr gefährlich und absolut unerwünscht wären. Die eine Alternative wäre ein Scheitern der Verhandlungen und eine Fortsetzung der bisherigen Politik des Iran in Bezug auf den Zugang zu Kernwaffen gewesen und die andere Alternative wäre eine militärische Option gewesen. Das kann man als ein für Frieden eintretender verantwortungsbewusster Staatsmann beides nicht ernsthaft als bessere Variante betrachten.
Ist der Iran nach dem Deal nun endgültig international rehabilitiert und ist Ihr historischer Besuch vom 7. bis 9. September als erstes EU-Staatsoberhaupt seit 2004 ein Siegel dafür?
Ich bin mit dem Wort "endgültig" vorsichtig. Mit dem Abschluss der Vereinbarung und mit der Zustimmung des Majles (im Iran) und dem Parlament in den USA wird ein neues Kapitel der Politik in diesem Teil der Welt beginnen. Die Beziehungen zwischen der EU und dem Iran werden sich sichtbar und qualitativ verbessern. Der Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Teheran war ein erster wichtiger Schritt. Mein Besuch und der Besuch der hochrangigen österreichischen Delegation sind ein weiterer wichtiger Schritt.
Die Vernichtung Israels ist bei vielen iranischen Würdenträgern nach wie vor Staatsdoktrin. Sie sind immer für einen Dialog mit dem Iran eingetreten und sind dafür oft kritisiert worden. Befürchten Sie durch Ihre Reise Irritationen oder Spannungen im österreichisch-israelischen Verhältnis?
Österreichs Position und meine Position, dass Israel so wie alle anderen UNO-Staaten das Recht auf Existenz und das Recht auf Sicherheit für seine Menschen hat, daran gibt es nichts zu rütteln. Das stelle ich mit aller Klarheit fest. Aber durch das Abkommen wird die Region an Sicherheit gewinnen. Zudem werden die Spannungen zwischen dem Iran und der EU und zwischen der UNO und dem Iran durch den Deal reduziert werden. Großbritannien hat gerade die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran wieder aufgenommen.
Mit Ihnen fliegt eine hochrangige Wirtschaftsdelegation in den Iran. Welche Chancen sehen Sie für den Energiesektor und die OMV, aber auch für andere Wirtschaftszweige. Werden sie alle von der Öffnung profitieren?
Zuerst möchte ich klarstellen, dass es in erster Linie eine höchstrangige politische Delegation ist, die in den Iran reist. Der Präsident, der Vizekanzler und Wirtschaftsminister, der Außenminister, der Präsident der Wirtschaftskammer und zwei ehemalige Regierungsmitglieder. Aber auch Österreichs Wirtschaft zeigt ein großes Interesse und daher fliegt auch eine große Wirtschaftsdelegation nach Teheran. Gleichzeitig zu meinem Aufenthalt wird es ein Wirtschaftsforum im Iran geben, an dem die Wirtschaftsleute teilnehmen. Beide Seiten haben die Hoffnung, dass die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auf allen Ebenen verbessert werden können. Außerdem fliegt auch eine hochrangige Delegation mit Vertretern aus Wissenschaft und Kultur mit. Damit setzen wir ein Signal, dass wir neben Politik und Wirtschaft auch auf kultureller und wissenschaftlicher Ebene die Zusammenarbeit für wichtig halten.
Nach wie vor gibt es Menschenrechtsverletzungen im Iran. Wie werden Sie diese ansprechen und wird das im Vieraugengespräch mit Präsident Hassan Rohani passieren?
Menschenrechte sind unteilbar. Ich habe schon als Parlamentspräsident eine Tafel beim Eingang des Parlaments anbringen lassen, wo Artikel 1 der Menschenrechtsdeklaration zitiert wird, in dem es heißt, dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind. Dieses Credo gilt für uns alle und das Thema wird auch gegenüber dem Iran angesprochen werden. Es ist dies nicht nur keine Unhöflichkeit, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wie das Gespräch mit Präsident Rohani konkret verläuft, kann ich im Detail jetzt noch nicht vorwegnehmen, aber es soll ein sehr offener Gedankenaustausch sein.
Welchen Beitrag kann Österreich als traditioneller Mediator in der Region - Stichwort Kreisky-Arafat - leisten, damit sich die Lage im Nahen und Mittlerern Osten entspannt?
Aus österreichischer Sicht ist das Problem nicht so kompliziert wie aus US- oder Nato-Sicht. Wir wollen, dass Konflikte friedlich gelöst werden. Wir haben keine militärischen Interessen und sind als neutraler Staat nicht paktgebunden. Wir begrüßen es sehr, dass der Deal die Chance bietet, dass sich Türen öffnen. Wir haben auch ausgezeichnete Beziehungen zu Saudi-Arabien oder anderen Golfstaaten. Seit Kreisky vertreten wir bestimmte Prinzipien in unserer Außenpolitik wie zum Beispiel das Prinzip der Gleichberechtigung aller Staaten, der friedlichen Konfliktlösung und der Wahrung der Menschenwürde. Daran hat sich nichts geändert. Meiner Meinung nach kann auch Israel durch den Deal ein Mehr an Sicherheit gewinnen.
Erwarten Sie durch die Rehabilitierung des Iran eine Miteinbeziehung Teherans bei der Bekämpfung des internationalen Terrors und der Flüchtlingskrise?
Die Entspannung in der Region hat viele Komponenten. Wenn im Kampf gegen den Terror weitere Partner wie Teheran gewonnen werden können, ist dies sehr zu begrüßen.
Wie kann man die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen? Außenminister Sebastian Kurz hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgeschlagen.
Es sind meiner Meinung nach drei wichtige Aufgaben, die entscheidend sind: die Eindämmung des grausamen Krieges in Syrien, die Stabilisierung der Lage im Irak und eine erneute Staatenbildung in Libyen. Wenn das gelingt, reduziert sich die Zahl der Flüchtlinge ganz entscheidend. Gleichzeitig muss die EU imstande sein, eine faire und gerechte Verteilung der Flüchtlinge rasch zu organisieren.
Abschließend noch eine Frage zur Westbalkankonferenz, die am gestrigen Donnerstag in Wien stattgefunden hat: Wie sehen Sie die Konferenz?
Ein Credo der österreichischen Außenpolitik ist die Heranführung der sechs Balkanstaaten an die EU. Dies ist ein wichtiges Element der Europapolitik. Dafür treten wir ein und haben viel Energie investiert. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die erste Balkankonferenz in Berlin organisiert und alle Entscheidungsträger zusammengebracht hat. Die zweite Konferenz war jetzt in Wien und eine dritte folgt in Frankreich und eine vierte in Italien.
Was ist ist das gemeinsame Ziel all dieser Konferenzen?
Am Ende dieser Konferenzserie sollen die sechs Staaten des westlichen Balkan einer Mitgliedschaft in der EU in entscheidender Weise nähergekommen sein und Europareife erreichen. Die Konferenz in Wien war ein wichtiger Baustein in diesem Konzept mit wichtigen Ergebnissen. Die Situation zwischen Serbien und dem Kosovo hat sich entspannt. Es gab einen umfassenden Gedankenaustausch zu Infrastrukturprojekten. Letztlich gab es auch eine substanzielle Diskussion zu den Flüchtlingsproblemen. Das Ziel ist es, die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen effizient und gerecht zu gestalten. Die Konferenz ist an alle europäischen Staaten ein Signal, dass der Balkan zur EU gehört und dass die EU ohne die Balkan-Staaten nicht komplett ist.