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Bundesrat - Loch Ness der österreichischen Innenpolitik

Von Anton Pelinka

Politik

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Erstaunlich, dass überhaupt noch jemandem etwas zum Bundesrat einfällt. Originelles kann nicht mehr gesagt werden - weil schon alles gesagt worden ist. Da fordert Gabi Burgstaller die Abschaffung der Länderkammer - und wiederholt nur die unendliche Geschichte analoger Wortmeldungen der Herren Haider, Hirschmann und Co. Und da widersprechen, wie programmiert, die meisten anderen Landeshauptleute. Neue Argumente pro oder contra gibt es nicht.

Burgstaller hat immerhin versucht, originell zu sein. Was man nicht aufwerten kann, das soll man lieber abschaffen, meint sie. Tatsächlich sind alle Versuche, im Rahmen des Österreich-Konvents einen Konsens zur Aufwertung des Bundesrates herzustellen, gescheitert. Doch mit dieser Logik könnte vieles abgeschafft werden - z. B. auch die Landeshauptleute. Auch für deren Aufwertung hat es ja bekanntlich keinen Konsens gegeben.

Der Bundesrat wird zumeist ignoriert - aus guten Gründen. Der Bundesrat kann Gesetzbeschlüsse des Nationalrates nur verzögern - mittels Beharrungsbeschluss kann die Mehrheit des Nationalrates sich über den Bundesrat hinwegsetzen. Dem Bundesrat ist die Bundesregierung politisch nicht verantwortlich - die Bundesregierung kann eine oppositionelle Mehrheit in der Länderkammer getrost ignorieren. Und im Bundesrat agieren dieselben Kräfte wie im Nationalrat, die Parteien. Und was die zu sagen haben, das haben sie ja schon längst im Nationalrat gesagt.

Das alles wissen wir. Und ebenso wissen wir, dass die Rufe nach Abschaffung des Bundesrates im Loch Ness der österreichischen Politik untergehen. Alle reden kurze Zeit über das Ungeheuer namens Abschaffung, aber mit Garantie geschieht - nichts.

Warum sollte auch etwas geschehen? Ebenso wenig wie es eine verfassungsändernde Mehrheit für eine Aufwertung des Bundesrates gibt, ebenso wenig gibt es eine solche Mehrheit für dessen Abschaffung. Denn der Bundesrat hat Funktionen zu erfüllen; Aufgaben, die freilich so nicht in der Verfassung stehen:

Erstens: Der Bundesrat gibt den Parteien die Möglichkeit, mehr als 50 Personen mit einer relativ gutbezahlten Position auszustatten; Personen, die unter Umständen - weil z.B. Parteiangestellte - ohne Bundesratsbezüge besser bezahlt werden müssten; Personen, von denen die Parteien - mittels Parteisteuer - auch direkt finanziell profitieren. Der Bundesrat erhöht in nicht unbeträchtlichem Maße die Manövrierfähigkeit der Parteien - personell, finanziell.

Zweitens: Der Bundesrat kann der Regierung und der Regierungsmehrheit im Nationalrat durchaus lästige, wenn auch nicht bedrohliche Nadelstiche versetzen. Und hier wird Burgstallers Vorstoß interessant: Die Opposition hat doch gute Chancen, nach den drei Landtagswahlen im Oktober im Bundesrat die Mehrheit zu erhalten. Das wird die Regierung Schüssel nicht erschüttern - aber erfreulich ist das auch nicht für sie. Dass Burgstaller also gerade zu einem Zeitpunkt, an dem der Bundesrat für die SPÖ und die Grünen interessant wird, diesen abschaffen will, hat wohl nur eine Erklärung: Sie wusste von Anfang an, dass ihr Vorstoß ohne Folgen im Loch Ness versinken wird.

Drittens: Der Bundesrat hilft, die Fiktion der Bundesstaatlichkeit aufrecht zu halten. Ohne Bundesrat würde es schwerer fallen, den österreichischen Föderalismus für lebendig zu halten. Die Abschaffung der Länderkammer wäre das Eingeständnis, dass es mit dem Bundesstaat nicht weit her ist. Ein solches Eingeständnis will eine ausreichend starke Allianz von Interessen aber gerade nicht. Was (vielleicht) nicht existiert, daran wird man doch noch glauben dürfen.

Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka ist Politologe an der Uni Innsbruck.